Zum Krieg in Syrien Kommentar: Das Vakuum

Hinsehen, nicht wegschauen lautet das Gebot der Stunde. Hinsehen auf das Flüchtlingselend - das tut mittlerweile ganz Europa, wenn auch mit höchst unterschiedlichen Konsequenzen, was für sich genommen schon ärgerlich genug ist.

Mindestens aber so wichtig ist: Europa und die Welt müssten endlich auch auf die Ursache dieser Flüchtlingsbewegung schauen, also auf die mörderische Lage in Syrien. Bisher herrscht da genau genommen Fehlanzeige.

Allen voran bei den USA. Zugegeben: Sie engagieren sich militärisch, aber nur halbherzig in der Auseinandersetzung zwischen den Resten des Assad-Regimes, den Dschihadisten des IS und der Protestbewegung. Die Millionen Opfer dieses Krieges sind deshalb auch denen anzulasten, die in der Welt untätig zuschauen, gewiss nicht nur den USA, aber ihnen eben auch.

Es gab Versuche einer politischen Lösung, sie verliefen im Sande. Es gab Drohungen etwa von Barack Obama an das Assad-Regime, rote Linien nicht zu überschreiten. Aber wurden sie, etwa beim Giftgaseinsatz gegen die Bevölkerung, überschritten, blieben die Konsequenzen aus.

Die Welt schaut einem mörderischen Treiben seit Jahren fast tatenlos zu und erst jetzt, wo die Folgen dieser Katastrophe Europa erreichen, beginnt sich die Lage ein wenig zu ändern. Durch Russland, das Assad unterstützt und jetzt militärisch verstärkt eingreifen will.

Durch Großbritannien, das Militäreinsätze eingeräumt hat, und durch Frankreich, das Militäreinsätze angekündigt hat. Ob koordiniert oder nicht, planvoll sind diese Schritte nicht, sondern halbherzig; Schritte, die vom schlechten Gewissen der Untätigkeit zeugen, aber weit davon entfernt sind, Elemente einer Lösung darzustellen.

Für die Bundesrepublik gilt Ähnliches. Deutschland, sagt nicht nur der Bundespräsident, muss mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Diese größere Verantwortung wird zu schnell zu militärischem Aktionismus umdefiniert. Richtig aber ist in jedem Fall: Mit Wegsehen oder Enthaltung wie im Fall Libyens ist es nicht getan.

Auch hier bestimmt schlechtes Gewissen das Handeln, etwa wenn jetzt über einen verstärkten Bundeswehreinsatz gegen Schlepper im Mittelmeer beraten wird, wie er Außenminister Frank-Walter Steinmeier vorschwebt.

Es hilft alles nichts: Das Abtauchen der USA aus weiten Teilen der Weltpolitik - nach dem Irak-Desaster verständlich - hat ein gefährliches Vakuum entstehen lassen. Die nicht existente Zusammenarbeit, ja die bewusste Abwertung und Demütigung Russlands durch Washington ist der zweite Faktor.

Will der Westen dem Grauen in Syrien und der daraus entstandenen Fluchtwelle nicht weiter tatenlos zusehen, wird es einer großen diplomatischen Anstrengung - natürlich unter Beteiligung der Golfstaaten - bedürfen. Aktionismus à la Frankreich hilft da nicht weiter.

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