Rheinische Bräuche Knaller, Linsen, gute Vorsätze

Rheinland · Bräuche zum neuen Jahr sollen Glück und Wohlstand bringen. In Köln war Lärm einst verboten.

 Ein jährlich wiederkehrendes Bild: Rund um das Reiterstandbild von Kaiser Wilhelm I. am Deutschen Eck in Koblenz wird das neue Jahr traditionell mit einem Silvesterfeuerwerk begrüßt.

Ein jährlich wiederkehrendes Bild: Rund um das Reiterstandbild von Kaiser Wilhelm I. am Deutschen Eck in Koblenz wird das neue Jahr traditionell mit einem Silvesterfeuerwerk begrüßt.

Foto: dpa

Den Jahreswechsel feiern wir mit Lärm und Feuerwerk, und diesen Brauch gibt es schon ziemlich lange. 1685 und 1688 wurde beispielsweise in Köln das traditionelle Lärmen, Knallen und Trommeln in der Silvesternacht verboten. Es störte die Ruhe der städtischen Bürger und wurde kurzerhand unter Strafe gestellt. Nicht für allzu lange Zeit, denn etwa 100 Jahre später erhielten die nächtlichen Musikanten für den akustischen Neujahrsgruß gar eine Geldspende von der Stadt.

Es geht beim Böllern, Glockenschlagen und Lärmen übrigens nicht um das Vertreiben irgendwelcher bösen Geister – Feuerwerk und andere Lärmelemente waren traditionelle Ehr- und Freudenbekundungen. Deshalb stoßen wir mit einem Glas Sekt oder Champagner an, um die Besonderheit des Anlasses zu zeigen. Auch das Feuerwerk wurde aus der adeligen Festkultur in den Silvesterbrauch übernommen. Erfunden wurde das bunte und laute Spektakel am Nachthimmel wohl schon um das Jahr 1000 in China.

Das Ende des alten und der Beginn des neuen Jahres – die Gestaltung dieses Festes ist mit dem ambivalenten Charakter seines Anlasses verbunden: Ein Neubeginn ist einerseits natürlich ein positiver Anlass der Freude, andererseits ist das Neue auch immer mit Unsicherheit verbunden. Was wird passieren, wie entwickelt sich das Jahr weiter, bleiben wir nicht doch besser beim Alten, da wissen wir, was wir haben? So gehören Orakelspiele für viele Menschen zum Silvesterabend dazu, das Bleigießen ist das wohl bekannteste. Das flüssige Blei wird in Wasser gegossen, aus den skurrilen Formen, die sich ergeben, versuchen die Bleigießer über Assoziationen etwas Passendes hineinzudeuten.

Glück kann man natürlich nie genug haben, wenn neue und unsichere Zeiten beginnen. Deshalb wünschen wir ein frohes oder glückliches neues Jahr. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich in einigen Regionen im Rheinland gar eine Art Wettbewerb aus den Glückwünschen: das „Neujahr abgewinnen“. Wer seine Glückwünsche zuerst an den Mann oder die Frau brachte, erhielt dafür einen Neujahrsweck oder eine Neujahrsbrezel. Diese Gebildbrote sind noch heute in zahlreichen Bäckereien der Region im Angebot und gehören bei vielen Familien auf den Neujahrsfrühstückstisch.

Auch traditionelle Speisen werden mit dem Wunsch nach Glück verbunden, wobei Glück in erster Linie materiell, als gut gefülltes Portemonnaie, interpretiert wurde. So sollen die im Rheinland verbreiteten Linsengerichte zu Silvester und Neujahr die vielen Geldstücke repräsentieren, die in den eigenen Geldbeutel wandern sollen. Gleiches bedeutet das Sauerkraut mit seinen unzähligen Kohlfasern. Am bekanntesten ist wohl heute noch der Neujahrskarpfen: seine großen glänzenden Schuppen sollten ebenfalls Geldmünzen symbolisieren, so dass beim Zubereiten des Karpfens die Schuppen aufbewahrt wurden: Jedes Familienmitglied erhielt dann eine Schuppe fürs Portemonnaie, damit im neuen Jahr das Geld nicht ausging.

Neues Jahr, neues Glück – und wo alles neu beginnt, stehen auch eingefahrene Gewohnheiten auf dem Prüfstand. Die bekannten guten Vorsätze der Silvesternacht wie mehr Sport, keine Zigaretten, keine Schokolade funktionieren meist nur wenige Wochen. Denn mit den ersten Wochen des neuen Jahres beginnen auch die Routinen und der Alltag wieder zu funktionieren – das Ritual des Neuanfangs wird vom ritualisierten Alltag aufgehoben. In diesem Sinne: ein frohes Neujahr!

In unserer Serie „Rheinische Bräuche“ schreibt Dagmar Hänel, promovierte Volkskundlerin beim Landschaftsverband Rheinland (LVR) über hiesige Traditionen.

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