Interview mit Kinderpsychologin Kerstin Mohr - "Freizeit wird immer stärker organisiert"

REGION · Kerstin Mohr ist Psychologin und Psychotherapeutin. Unter anderem hat sie sich auf die therapeutische Behandlung von Kindern und Jugendlichen spezialisiert. Über das diesjährige Motto des Weltkindertages spricht sie im Interview.

 Kerstin Mohr wurde am 11. März 1971 geboren. Aufgewachsen ist sie in Alfter-Witterschlick, wo sie nun auch ihre Praxis betreibt. In Trier hat sie Psychologie studiert und danach eine Ausbildung zur psychologischen Psychotherapeutin gemacht. Es folgte eine Zusatzausbildung zur Kinder- und Jugendpsychotherapeutin. Mohr ist Mutter von vier Kindern.

Kerstin Mohr wurde am 11. März 1971 geboren. Aufgewachsen ist sie in Alfter-Witterschlick, wo sie nun auch ihre Praxis betreibt. In Trier hat sie Psychologie studiert und danach eine Ausbildung zur psychologischen Psychotherapeutin gemacht. Es folgte eine Zusatzausbildung zur Kinder- und Jugendpsychotherapeutin. Mohr ist Mutter von vier Kindern.

Foto: Johanna Heinz

Das Motto des Weltkindertages lautet "Kinder brauchen Zeit". Was verbinden Sie damit?
Mohr: Für mich stellt dieses Motto eine klare Aufforderung an uns Erwachsene dar, sich Gedanken darüber zu machen, wie wir mit dem Thema Zeit umgehen. Denn wir Erwachsenen sind es ja, die für die Kinder die Rahmenbedingungen schaffen, wie viel Zeit ihnen für bestimmte Dinge zur Verfügung steht. Wir beschweren uns häufig darüber, unter Zeitdruck zu stehen, fühlen uns gehetzt und gestresst. Dabei vergessen wir oft, dass es bei den Kindern auch nicht anders ist.

Wofür brauchen Kinder Zeit?
Mohr: Zeit ist ja sehr, sehr kostbar und wird oft genutzt, um möglichst viel zu erleben und zu tun. Aber für eine ungestörte Entwicklung brauchen Kinder ausreichend Zeit, auch einmal allein oder mit Freunden frei und kreativ zu spielen, sich draußen zu bewegen oder auch einfach eine Pause zu machen. Außerdem brauchen sie auch Zeit mit ihrer Familie. Das Recht der Kinder auf Zeit mit ihren Eltern ist ja auch in der UN-Kinderrechtskonvention verankert.

Haben Sie den Eindruck, dass Kinder heutzutage diese Zeit nicht mehr haben?
Mohr: Bei den meisten Kindern ist es so, dass die Freizeit immer stärker organisiert und auch institutionalisiert wird. In vielen Familien ist der Tagesablauf absolut straff geregelt. Nicht zuletzt, weil heute auch die Schultage immer länger werden. Manchen Kindern bleibt in der Woche nicht ein einziger Tag, den sie zur freien Verfügung haben.

Welche Auswirkungen kann das haben?
Mohr: Im Erwachsenenbereich sind die Auswirkungen ja bekannt: Stresssymptome, Burnout. Aber auch bei Kindern führt großer Terminstress zu körperlichen Beschwerden einerseits: Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Schlafstörungen. Auf der anderen Seite berichten sie von Erschöpfung, es ist eine große Unruhe erkennbar, Zerfahrenheit, oder sie ziehen sich im Sozialen aus allem heraus. Wenn immer alles für einen organisiert wird, geht das natürlich auch zulasten von Kreativität und Spontanität. Viele Kinder verlernen einfach, sich ihre Zeit selbst einzuteilen. Kinder sagen auch in meinen Stunden: "Ich will mehr Zeit für mich haben", oder: "Ich will mehr Zeit mit meinen Eltern verbringen."

Nimmt das Thema Zeit auch in Ihren Beratungen eine Rolle ein?
Mohr: Ich versuche Eltern aufzuzeigen, dass sie eine Balance zwischen Fördern einerseits und freier Zeit andererseits finden sollten, auch wenn das nicht so leicht ist. Es gibt dieses schöne afrikanische Sprichwort: "Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht." Auf die Eltern prasseln viele Dinge ein, was sie zur Förderung ihrer Kinder tun sollen. Das mag auch im einzelnen sinnvoll sein. Ich versuche aber auch zu vermitteln, dass Förderung nicht nur in den Institutionen erfolgen kann, sondern auch, wenn man einfach nur gemeinsam einen Kuchen backt.

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