Historische Attraktionen in Kommern

Die obere Hälfte des Fallbeils ist rostig, unten aber abgeschliffen vom häufigen Gebrauch. Es klebt "Blut" daran. Die Guillotine, die beim "Jahrmarkt anno dazumal" im Freilichtmuseum Kommern zum Einsatz kommt, scheint rege genutzt zu werden.

Kommern. Die obere Hälfte des Fallbeils ist rostig, unten aber abgeschliffen vom häufigen Gebrauch. Es klebt "Blut" daran. Die Guillotine, die beim "Jahrmarkt anno dazumal" im Freilichtmuseum Kommern zum Einsatz kommt, scheint rege genutzt zu werden.

Als daher ein Gast der Zaubervorstellung freiwillig Platz nimmt auf dem Hinrichtungsinstrument aus dem 18. Jahrhundert, gilt ihm der Respekt des Publikums - und der erleichterte Applaus, als er nach dem dumpfen Aufschlag des scharfen Messers doch wieder mit seinem Kopf auf den Schultern aufsteht.

Der historische Jahrmarkt##ULIST##

Öffnungszeiten: täglich bis Sonntag, 11. April, von 10 bis 19 Uhr.

  • Programm: Hochseilartistik 12, 14 Uhr. Die 17-Uhr-Vorstellung fällt nach dem Unfall evtl. aus, Kraftakrobatik um 14.30 und 16 Uhr, komödiantische Illusionen um 11.30, 15 und 17.45 Uhr, Film: Kirmes in Nettersheim 1967 um 12 bis 14.30 Uhr und 15.30 bis 17.30 Uhr.
  • Eintrittspreise: Erwachsene 5,50 Euro, ermäßigt 3,50 Euro, Kinder und Jugendliche unter 18 frei.
  • Parkgebühr: 2,50 Euro.
  • Das ganze Programm im Netz unter www.kommern.lvr.de.

Scharfrichter bei diesem Trick, mit dem in den 1870er Jahren die Schaustellerfamilie Schichtl in Deutschland Furore machte, ist niemand anderes als der stellvertretende Museumsleiter Michael Faber. Über 500 Gäste hat er seit dem ersten historischen Jahrmarkt vor 15 Jahren auf diese Art und Weise bereits "geköpft". "So kommen die Besucher auch mal direkt mit der Museumsleitung in Kontakt", scherzt er.

Das von ihm entwickelte Konzept eines Jahrmarkts, der eine Zeitreise in die deutsche Kaiserzeit anno 1900 ermöglichen soll, kommt gut an: Am Osterwochenende tummelten sich tausende Besucher zwischen den historischen Scheunen und Bauernhäusern der Region. Dabei ist der Besuch zumindest für Familien mit kleinen Kindern kein günstiges Vergnügen, verlocken in Eingangsnähe zunächst modernere Fahrgeschäfte wie Karussells, eine Geisterbahn aus der Nachkriegszeit und Imbissbuden zum Geldausgeben.

Einzigartig machen den Markt aber die historischen Attraktionen. So etwa Fabers Hinrichtungen im "Curiositäten-Kabinett", die vor 110 Jahren noch nicht gegen die Konkurrenz von Adrenalin ausschüttenden Fahrgeschäften wie Fünfer-Looping-Achterbahnen bestehen mussten.

Damals, so erfahren die Besucher dank Hinweistafeln und Fotos aus dieser Zeit, erregten bereits Abbildungen von "siamesischen Zwillingen" oder von "Menschenfressern nach der Mahlzeit" im "Panoptikum" Aufmerksamkeit. Da brachte Miss Ella, die Telefonbuch zerreißende "stärkste Frau des Universums", das Rollenverständnis der biederen Gesellschaft der Kaiserzeit ins Wanken, und Aufführungen mit der "Laterna Magica" ließen das Publikum staunen über die ersten bewegten Bilder - fernab von Dolby-Surround-Systemen und HD-Bildqualität. So baut der französische Zauberer "Gilbert" seine Show mit dem "kleinsten Flohzirkus der Welt" allein auf der Vorstellungskraft seines Publikums auf.

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Das größte Publikum zieht die "Hochseiltruppe Geschwister Weisheit" aus Gotha an, weil sie ihre Vorführungen unter freiem Himmel zeigen. Selbst wenn die Akrobaten dabei teilweise auf Stahlseilen einen modernen Gerüstturm erklettern, machen doch die mittelalterlichen Kostüme von Till Eulenspiegel und Bauer Tim deutlich: Wie die beiden mit Balancierstangen in den Händen hoch über den Köpfen der Zuschauer laufen, miteinander streiten und sogar Pfannkuchen backen, lässt damals wie heute Menschen den Atem anhalten und die Hälse strecken.

Die Artisten beleben dabei mit der Teilnahme an dem historischen Jahrmarkt einen Teil der Familiengeschichte: Ihre Vorfahren hatten selbst schon um 1900 ähnliche Nummern aufgeführt, damals noch ohne Stahlseile und Motorrad-Einlagen.

Für zusätzliches Flair sorgen zwischen den alten Häusern kostümierte Mitarbeiter wie der Wachtmeister mit preußischer Pickelhaube, Frauen in bäuerlicher und städtischer Alltagskleidung des 19. Jahrhunderts, ein Lumpensammler und eine Pferdekutsche.

Für alte Geschicklichkeits-Spiele wie das Kegeln mit einer Kugel, die an einem Seil hängt und nur einmal angestoßen werden darf, und Kraftproben nach Art "Hau-den-Lukas" stehen die Menschen Schlange.

Bei diesem breiten Angebot durfte hoher Besuch nicht fehlen: Ein spontan angereister Besucher aus Hamburg verkörperte Kaiser Wilhelm I., und die Akteure der historisch geschulten Gruppe "Facing the Past" ließen mit einstudierten Spielszenen die Kaiserzeit lebendig werden.

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