GA-Serie „Rheinische Redensarten“ He rüch et noh Minsche

In der Serie „Rheinische Redensarten“ beleuchten wir mit Unterstützung von Dialektsachverständigen bedeutungstiefe Redewendungen.

Heute menschelt es bei unseren Rheinischen Redensarten in doppeltem Sinne. „He rüch et noh Minsche“ ist schnell übersetzt: Hier riecht es nach Menschen, lautet die wörtliche Transkription für die Zugezogenen. Jetzt könnte man hingehen und schnell einen Haken dranmachen, denn die Bedeutung scheint auf der Hand zu liegen.

Interessant ist allerdings, dass es sich hier um ein Phänomen handelt, das ansonsten vermehrt in den alten Sprachen Latein und Altgriechisch auf tritt. Die grammatikalische Erscheinung der Auto-Antonyme ist hier wirksam. Antonyme bezeichnen gegensätzliche Begriffe wie laut und leise, warm und kalt. Auto-Antonyme sind eine ganz spezielle Gattung der Gegensätze. Denn hier werden die Gegensätze mit ein und demselben Begriff bezeichnet. Im Hochdeutschen etwa Untiefe, das sowohl sehr tief, als auch sehr flach bedeuten kann. Genauso Unkosten oder übersehen (nicht sehen und überblicken).

Und so ist es auch bei „Hier riecht es nach Menschen.“ Denn zum einen gilt die wörtliche Bedeutung im Sinne von, hier stinkt es ein bisschen. „Wenn irgendwo schlechte Luft ist, im Café oder Zug, dann hört man den Satz“, berichtet Mundartsprecherin Liesel Lorscheidt. „Manchmal muss man Leute besuchen, die nicht gelüftet haben, da riecht es vielleicht nach Bier oder alten Kleidern“, ergänzt Melitta Klein. Eine Bedeutung im übertragenen Sinne kenne Gisbert Stenz: Hier ist das allgemeine Klima schlecht.

So oder so geht es um den Wohlfühlfaktor. Und an dieser Stelle kommen wir zur Gegensatzbedeutung. Wie Hans Nolden erläutert: „Es kann auch bedeuten, dass man sich in einer Gesellschaft wohlfühlt. Es ist ja auch möglich, den Duft von anderen Menschen als angenehm zu empfinden. Und so sind wir in windeseile wieder beim rheinischen Dualismus angelangt. Man kann nicht miteinander, und man kann nicht ohneeinander. Eine Zwickmühle.

Die Artikel zum rheinischen Dialekt entstehen in Zusammenarbeit mit dem Heimatfilmer Georg Divossen (www.bönnsch-abc.de). Seine Filme sind abrufbar unter www.ga.de/rheinisch. Haben auch Sie einen Lieblingsspruch, dann mailen Sie ihn uns an rheinisch@ga.de

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