Hansa-Haus sollte der Stadtautobahn weichen

Das Gebäude an der Bad-Godesberger Moltkestraße hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Hotel, Suppenküche, Soldatenheim, Zentrum der französischen Besatzer und Vereinshaus mit Probreräumen für Rockmusiker

Bonn-Bad Godesberg. Wenn das Anton Blinzler wüsste: In seinem schönen alten Hotel hauen heute Nachwuchsbands kräftig auf die Pauke und lassen ihre E-Gitarren aufheulen. Dabei sollte das Haus eigentlich längst abgerissen sein, um einer Stadtautobahn Platz zu machen.

Anton Blinzler (1821-1879), Bahnhofswirt in Rolandseck, ließ um 1870 das heutige Hansa-Haus an der Ecke Moltkestraße/Alte Bahnhofstraße bauen und richtete darin ein Hotel ein. Nach Blinzlers frühem Tod erwarb Marcellus Mühlheim das "Hotel-Restaurant mit Gartenwirtschaft". Ende Mai 1892 übernahm der Koch Robert Hüttenrauch das Haus. 1897 wurde in einer Anzeige für das "Hotel Hüttenrauch, vormals Blinzler" mit 70 Zimmern, Bädern, Salons, kleinen und großen Sälen und einer Stallung für Reitpferde geworben. Um die Jahrhundertwende ließ Hüttenrauch zur Bahn hin einen großen Anbau errichten, der noch heute das Bild des Hansa-Hauses wesentlich bestimmt.

Doch Großbaustellen direkt am Haus - die Höherlegung der Eisenbahnstrecke und der im Februar 1909 begonnene Bau der Fußgängerunterführung zwischen Bahnhofstraße und Rheinallee - trieben das Hotel in den Ruin. 1911 erwarb die Bonner Bank beim Konkursverfahren das Hotel, das dann erst einmal leer stand. Im Ersten Weltkrieg mietete die Stadt Godesberg einige Räume des ehemaligen Hotels an, um dort eine Suppenküche für die Not leidende Bevölkerung einzurichten. Im Hungerwinter 1917/18 wurde aus der Suppenküche das "Volksspeisehaus".

Seit August 1915 war in dem Haus zudem ein "Soldatenheim" untergebracht. Nach dem Krieg beschlagnahmten die französischen Besatzer das Gebäude. Bis zum Abzug der Franzosen 1926 hieß das ehemalige Hotel nun "Quartier Lannes" - nach dem Marschall Jean Lannes, der in den Napoleonischen Kriegen zu Rang und Namen gekommen war. Die Franzosen richteten dort ein "Centre d`Instruction et de Rééducation Physique" ein. Im Godesberger Adressbuch von 1927/28 erscheint erstmals die Bezeichnung "Hansa-Haus".

Noch vor dem Ersten Weltkrieg hatten Peter Blumenthal und Heinrich Hensen im Hansa-Haus die Rheinische Verlagsanstalt (heute: Rhein-Druck GmbH) gegründet, die unter anderem die "Godesberger Volkszeitung", ein Zentrumsblatt, herausbrachte, dessen Druck von den Nazis im Juni 1943 untersagt wurde. Verleger Blumenthal, bis 1933 Stadtverordneter der Zentrumspartei, galt den Nazis als "unsicherer Kantonist", erinnert sich sein Sohn Werner, heute Seniorchef. Eine für das Kölner Generalvikariat gedruckte Broschüre, in der die Kirche eindeutig gegen Alfred Rosenbergs Machwerk "Der Mythos des 20. Jahrhunderts" Stellung bezog, wurde von der Gestapo beschlagnahmt. "1935 musste mein Vater verkaufen", sagt der Seniorchef.

Die Einrichtung wurde von den Nazis beschlagnahmt, die die Druckerei weiter nutzten. Als die Alliierten das Rheinland besetzten, konnten so die alten Verleger unverzüglich wieder die Arbeit aufnehmen. Für die in Bad Godesberg stationierte Guard''s Division wurde im Hansa-Haus jetzt der "New Guardian" gedruckt. 1979 erwarb die Stadt Bonn das um die Jahrhundertwende als Hotel errichtete Gebäude für 2,3 Millionen Mark, da es nach den damaligen Verkehrsplanungen abgerissen werden sollte. Seit den autofreundlichen 60er Jahren gab es Pläne, links und rechts der Bahngleise eine Stadtautobahn zu bauen. Doch die alten Verkehrsplanungen wurden ad acta gelegt, 1983/84 wurde das Hansa-Haus in 20-monatiger Bauzeit gründlich renoviert und zu einem schmucken Vereinshaus umgebaut. Damals war auch davon die Rede, das Gebäude solle bald unter Denkmalschutz gestellt werden.

Doch daraus wurde nichts. Nach und nach bezogen der Godesberger Turnverein (GTV), die Marinekameradschaft Bonn, die Burgbläser, der SPD-Ortsverein Bad Godesberg-Nord, der Festausschuss Godesberger Karneval und der inzwischen insolvente Verein Bonner Rockmusiker (VBR) Räume im Hansa-Haus. Die Rockmusiker bekamen in den zur Bahn hin gelegenen Obergeschossen Übungsräume zugewiesen. Die Musiker bauten in den Proberäumen in Eigenarbeit zusätzlichen Schallschutz ein. Im Oktober 1987 beschloss der Bonner Rat, dass der VBR zehn weitere Räume im Hansa-Haus erhalten sollte. Die anderen Vereine sollten so bald wie möglich ausziehen. Doch der Beschluss wurde nie vollständig umgesetzt.

Der SPD-Ortsverein zog bald um, doch der GTV hat in dem Gebäude noch heute nicht nur seine Geschäftsräume, sondern bietet dort auch Seniorenturnen an. Und die Marinekameradschaft trifft sich dort weiterhin regelmäßig zum "Klönsnak". Auch aus dem Ratsbeschluss, ein Rockmusik-Zentrum an einem Ort einzurichten, wurde trotz jahrelangem Hickhack nie etwas, weder im Hansa-Haus noch in den ehemaligen Rhein-Dinas-Werken. 1996 fand sich ein Kompromiss: im Godesberger Bahnhof entstand mit der Klangstation ein kleiner Saal für Auftritte mit einer Kapazität von rund 250 Besuchern, der inzwischen wegen Insolvenz geschlossen wurde.

Dazu konnten dort elf Proberäume untergebracht werden. In der zweiten und dritten Etage des Hansa-Hauses sind derzeit weitere 13 Proberäume untergebracht, die von rund 30 Bands genutzt werden. Seit Ende der 80er Jahre ist auch die DRK-Bereitschaft Bad Godesberg im Hansa-Haus ansässig. Jeden Mittwoch treffen sich die rund 70 ehrenamtlichen Helfer im Obergeschoss zum Dienstabend. Rund 600 Einsätze und 25 000 Einsatzstunden erbringen die Rotkreuzler im Jahr, schätzt der Bereitschaftsleiter, Hassan-Dirk Yücelli. Im Erdgeschoss sind heute Geschäfte untergebracht.

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