Kommentar Formal korrekt

Die Frage, was mit der RWE-Aufsichtsratsvergütung von Landrat a.D. Frithjof Kühn geschehen soll, wird im Rhein-Sieg-Kreis mit großer Leidenschaft diskutiert. Schließlich geht es um eine Summe von 531.171 Euro. Die hatte der Hauptverwaltungsbeamte vorsichtshalber an den Kreis abgeführt, allerdings unter dem klaren Vorbehalt einer rechtlichen Klärung, ob ihm der Betrag zustehe oder nicht.

Einen Anspruch hat er noch nicht angemeldet. Dennoch bläst ihm der Wind der öffentlichen Meinung kräftig ins Gesicht. Das dürfte ihn schmerzen, hat er doch stets versucht, seine Amtsgeschäfte formal korrekt zu führen. Die SPD argumentiert nun politisch, mäkelt am Zeitpunkt der öffentlichen Diskussion herum und stellt die Wahl des Kühn-Nachfolgers in Frage. Die CDU-Parteifreunde sind teilweise - vornehm ausgedrückt - irritiert, weil sie jetzt so viele unangenehme Fragen beantworten müssen. Und etliche Bürger kritisieren die Selbstverständlichkeit, mit der sich Kühn nunmehr als Privatperson definiert, statt anzuerkennen, dass er letztlich in seiner Funktion als Landrat im RWE-Aufsichtsrat saß.

Kühn selbst versteht die Aufregung nicht. Er geht mit dem Vorgang um, wie er stets mit den Herausforderungen seines Amtes umgegangen ist. Der Hangelarer ist Verwaltungsjurist durch und durch. Er steht auf dem Standpunkt, dass hier eine Regelungslücke klaffe, die vom Land Nordrhein-Westfalen dringend geschlossen werden müsse. Diese Aufgabe steht schon seit dem Jahr 2011 auf der Agenda. Damals hatte das Bundesverwaltungsgericht geurteilt, dass Beiratsmitglieder, die in ihrer Funktion als Bürgermeister oder Landrat im Gremium sitzen, bis auf 6.000 Euro pro Jahr alle Bezüge abführen müssen. Das gelte aber ausdrücklich nicht für Personen, die unabhängig von ihrer Funktion als gewählte Vertreter im Aufsichtsrat sitzen, wie es das Aktienrecht definiert.

Im Kern steht in dieser Frage das bundesweit geltende Aktienrecht im Widerspruch zum Beratungserlass des Landes NRW. Und genau dort legt Kühn den Finger in die Wunde und fordert eine Klarstellung durch das Land. Die ist zwar schon seit zwei Jahren angekündigt, aber noch nicht vorgelegt. Offenbar gilt sie bislang als nicht durchsetzbar.

Vielleicht bewirkt der frühere Rhein-Sieg-Landrat mit seiner Hartnäckigkeit also im Sinne seiner Kritiker etwas Positives, indem er das Land zwingt, Farbe zu bekennen. NRW-Innenminister Ralf Jäger geht davon aus, dass die RWE-Vergütungen der Allgemeinheit zustehen. Er hat einen entsprechenden Erlass angekündigt. Alles andere wäre den Bürgern auch nicht vermittelbar. Bestenfalls sollte auf dem Wege auch die Zeit der Aufsichtsratstätigkeit an die Amtszeit gekoppelt werden. Kühn ist nämlich noch bis 2016 Mitglied in dem Gremium. Formal korrekt, aber moralisch spannend!

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