Die Folgen der Bundeswehr-Reform Folgen der Bundeswehr-Reform für die Region: Abbau, Umbau, Ausbau

Radikale Schrumpfkur für die Bundeswehr: Mehr als 120 der bundesweit 400 Standorte werden geschlossen oder drastisch verkleinert. Von den Kürzungen betroffen sind auch Standorte in der Region: So werden das Materialdepot in Königswinter sowie das Heeresamt und das Logistikzentrum in Ahrweiler geschlossen, bei weiteren Standorten fallen Stellen weg.

Bonn/Region. Die einen nehmen es mit Sarkasmus, die anderen mit Humor. Die meisten mit Sprichwörtern. Eines, das am Mittwoch Hochkonjunktur hatte, lautet: "Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.“

Einer, der diesen Spruch sinngemäß bemühte, war der Chef selbst: "Das bedeutet nicht, dass die Kasernentüren morgen abgeschlossen werden“, beruhigte der Verteidigungsminister am Mittwoch vor der Bundespressekonferenz die Leidtragenden der Standortschließungen. 31 Standorte fallen den Sparanstrengungen der Politik zum Opfer, darunter mehrere in der Region: Königswinter, Ahrweiler, Kerpen.

Thomas de Maizière machte am Mittwoch deutlich, dass es keine Nachverhandlungen geben werde: "Der Sack ist zu.“ Heißt: Die Bundeswehr schrumpft um ein Drittel, nur auf der Rheinschiene sollen es angeblich weniger als 20 Prozent sein. Weil man ja die Hardthöhe ausgeklammert hat.

"Des einen Leid ist des Anderen Freud“, lautet deshalb das zweite Sprichwort des Tages, wobei man sich auch zu früh freuen kann.

Beispiel Bonn: Laut Ministerium steigt die Zahl der Dienstposten bei der Bundeswehr hier von 3â‰470 auf 3â‰690, also um 220. Außerhalb des Ministeriums. Falsch gerechnet sagen die Bundestagsabgeordneten Ulrich Kelber (SPD), Katja Dörner (Grüne) und Paul Schäfer (Die Linke). Ihre Argumentation: In die Zahl von 3 690 seien schon 1 000 Beschäftigte eingerechnet, die vom Ministerium auf nachgeordnete Behörden umgesiedelt werden. Unter dem Strich blieben dann nicht plus 200, sondern minus 800. Was stimmt, werden die Jahre zeigen.

Fest steht für Bonn jedenfalls: Die Teile des Bundesamtes für Informationstechnik, die hier residierten, werden nach Koblenz ins neue Bundesamt für Ausrüstung und Nutzung verlagert. Das Bundesamt für Wehrverwaltung geht im neuen Bundesamt für Infrastruktur auf.

Königswinter wird demnächst komplett bundeswehrfrei sein, de Maizière streicht das Materialdepot mit seinen 70 Beschäftigten.

Doch das ist nichts im Vergleich zur Ahr. Die Bundeswehrreform trifft den Standort Bad Neuenahr-Ahrweiler aus heiterem Himmel. Mit allem hatten die 570 Soldaten und Zivilangestellten der Abteilung V des Heeresamtes und des Logistikzentrums der Bundeswehr gerechnet, nur nicht mit der kompletten Schließung des Standortes.

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De Maizière: Zapfenstreich für 31 Standorte

Der Streit um die Hardthöhe - diskutieren Sie mit im GA-BlogDessen Aufgaben werden künftig in das Bundesamt für Ausrüstung und Nutzung in Koblenz integriert, erklärte Brigadegeneral Erich Heinrich Koenen Mittwochmorgen den Bediensteten, kurz bevor die Botschaft aus Berlin ins Internet gestellt wurde.

Von einem "schwarzen Tag“ für Bad Neuenahr-Ahrweiler sprach Bürgermeister Guido Orthen. Denn die Kreisstadt an der Ahr habe nicht nur unter der Bundeswehrreform zu leiden, sondern auch noch unter den Reformen im Gesundheitswesen. Orthen: "Hinzu kommen die negativen Auswirkungen der Verlagerung der Bundeshauptstadt von Bonn nach Berlin, die Schließung des Regierungsbunkers in Marienthal sowie der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt und aktuell die geplante Schließung des Katasteramtes in Ahrweiler.“

Mit einem blauen Auge ist die Grafschaft davon gekommen. In der Boeselager-Kaserne sollen lediglich 40 von 910 Dienstposten abgebaut werden. "Doch auch wir werden die Schließung in Bad Neuenahr-Ahrweiler zu spüren bekommen“, sagt Grafschaft-Bürgermeister Achim Juchem. Denn viele Mitarbeiter der Ahrtal-Kaserne wohnen in seiner Gemeinde.

Landrat Jürgen Pföhler sieht in den Standortentscheidungen im Zuge der Bundeswehrreform "eine gute und eine schlechte Nachricht für den Kreis Ahrweiler“. Der Standort Grafschaft-Gelsdorf sei gesichert. Die Schließung des Standortes Bad Neuenahr-Ahrweiler hingegen sei "eine ganz bittere Pille“.

"Der Verlust des Standortes Bad Neuenahr-Ahrweiler wiegt extrem schwer“, sagte am Mittwoch auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles als Bundestagsabgeordnete für den Kreis Ahrweiler. Und: Es gelte eine Perspektive zu schaffen, insbesondere für die betroffenen hoch qualifizierten zivilen Mitarbeiter.

Die SPD-Landtagsabgeordneten Petra Elsner und Marcel Hürter ergänzen: „Wir stellen an den Bund insbesondere die klare Erwartung, dass ein Bundeskonversionsprogramm aufgelegt wird und dass der Stellenabbau sozialverträglich erfolgt.“ Ihr CDU-Kollege Horst Gies fügt hinzu: "Wir erwarten Hilfestellung des Bundes und auch des Landes.“

Andere Standorte kommen besser weg. In Euskirchen steigt die Zahl der Dienstposten sogar, weil deutsche Nato-Soldaten aus Brunssum dort Unterschlupf finden und das Geoinformationszentrum ausgebaut wird. In Mechernich werden zwar das Führungsunterstützungsregiment und die Sanitätsstaffel aufgelöst, aber 600 Posten bleiben. Der Standort Rheinbach wiederum wächst um 110 auf 720 Arbeitsplätze.

Auf der anderen Rheinseite sind die Folgen gravierender: Auch die letzten Kompanien des Wachbataillons werden die Brückberg-Kaserne in Siegburg verlassen, das Logistikamt sowie die Medienzentrale der Bundeswehr in Sankt Augustin werden aufgelöst. In Siegburg sinkt die Zahl der Bundeswehrangehörigen damit von 780 auf 370 und in Sankt Augustin von 640 auf 550.

Diese 550 Dienstposten entfallen im Wesentlichen auf das neu geschaffene Bundeswehramt für das Personalmanagement, von dem ein Teil die Liegenschaft des Logistikamtes an der Alten Heerstraße übernimmt. Ohne diese Kompensation würde Sankt Augustin als Bundeswehr-Standort von der Landkarte verschwinden.

"Wir sind erleichtert, dass das Logistikamt und die Medienzentrale nicht ersatzlos von der Bundeswehr aufgegeben werden“, sagte Augustins Bürgermeister Klaus Schumacher. Für die 640 Beschäftigten werde durch "die radikale Auflösung ein harter Schnitt erfolgen“.

Hoffnungen setzt Schumacher in das neue Bundeswehr-Personalamt: "Da es sich um eine komplette Neugründung im überwiegend zivilen Bereich handelt, gibt es viele neue Arbeitsplatz-Chancen.“ Zuversichtlich ist Schumacher, dass sich für die Medienzentrale in der "Medienregion Köln/Bonn“ eine künftige Nutzung finden lässt.

"Sankt Augustin ist vergleichsweise mit einem blauen Auge davon gekommen“, findet auch die CDU-Landtagsabgeordnete Andrea Milz. "Mit diesen Plänen verliert der Rhein-Sieg-Kreis ein Fünftel aller Bundeswehrdienststellen. Das ist ein schwerer wirtschaftlicher Schlag für die Region“, meint dagegen der grüne Landtagsabgeordnete Horst Becker.

Daher sei es gut, dass die Landesregierung für Dezember eine Konferenz mit den betroffenen Kommunen plant. "Das ist keine gute Entwicklung für Siegburg. Auch mit Blick auf die lokale Wirtschaft, ist es nicht unerheblich, wenn künftig mehr als 400 Menschen nicht mehr hier ihr Geld verdienen“, sagte Siegburgs Bürgermeister Franz Huhn.

Richtig heftig wird es im Norden von Bonn. Der Standort Kerpen wird ganz dicht gemacht. Das bedeutet das Aus für das Sanitätszentrum und das Objektschutzregiment der Luftwaffe. Die dortigen Teile des Jagdbombergeschwaders 31 dürfen künftig vom Fliegerhorst Nörvenich aus üben.

Besonders heftig hat Verteidigungsminister Thomas de Maizière in Köln zugeschlagen. Die Zahl der Arbeitsplätze beim "Bund“ wird in der Domstadt von 7 190 auf 5 720 gekappt, mehr als 2 000 minus. Das Heeresamt mit seinen Hunderten von Beschäftigten wird ebenso aufgelöst wie das Streitkräfteunterstützungskommando und das Kreiswehrersatzamt.

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Entsprechend herb die Kritik des Kölner Oberbürgermeisters Jürgen Roters: "Die ohne Vorgespräche verordnete Reduzierung des Bundeswehrstandorts Köln ist ein herber Schlag für die Stadt und die Kölner Wirtschaft. Das können und werden wir so nicht hinnehmen. Durch den drohenden Wegzug der Soldaten und ihrer Familien ist die komplette Stadtgesellschaft vom Vereinsleben bis zu Schulen und Kindergärten betroffen.“ Roters fordert: "Bund und Land dürfen die Stadt Köln nicht mit den zwangsläufig folgenden Problemen alleine lassen.“

PS: Für alle, die (noch) mehr wissen wollen: Die "Stationierungshotline“ hat die Telefonnummer (02 28) 12 12 02.

Weitere Details zu den Kürzungen und Reaktionen aus den einzelnen Städten lesen Sie in der Donnerstags-Ausgabe des General-Anzeigers!

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