Globalisierung auf dem Rhein Flotte der Köln-Düsseldorfer: Unter fremder Flagge

Sie gehört zum Postkarten-Idyll des Rheinlandes wie der Dom oder der Petersberg: die Weiße Flotte der Köln-Düsseldorfer Deutsche Rheinschifffahrt AG, kurz auch KD genannt. Umso mehr wundert aufmerksame Passagiere, warum am Heck nicht die deutsche, sondern (bis auf eine Ausnahme) die maltesische Flagge weht.

Köln. Sie gehört zum Postkarten-Idyll des Rheinlandes wie der Dom oder der Petersberg: die Weiße Flotte der Köln-Düsseldorfer Deutsche Rheinschifffahrt AG, kurz auch KD genannt. 15 Passagierschiffe verkehren unter dem Signum der ältesten durchgehend börsennotierten Aktiengesellschaft der Welt auf Vater Rhein sowie den Nebenflüssen Mosel und Main, nicht wenige sind auf klassisch rheinische Namen getauft: Drachenfels, Godesburg, Loreley, Stolzenfels, Boppard, Wappen von Köln.

Umso mehr wundert aufmerksame Passagiere, warum am Heck nicht die deutsche, sondern (bis auf eine Ausnahme) die maltesische Flagge weht.

Die Republik MaltaDer Inselstaat im Mittelmeer ist kleiner als Bremen, aber immerhin doppelt so groß wie das alpine Steuerparadies Liechtenstein. Und das Wetter ist besser. Malta gehörte nach wechselhafter Geschichte lange Zeit zum britischen Königreich, bevor 1964 die unabhängige Republik ausgerufen wurde. Seit 2004 ist Malta Mitglied der Europäischen Union, 2008 wurde der Euro eingeführt.

Die Kombination aus günstiger Besteuerung, der Amtssprache Englisch und der Niederlassungsfreiheit innerhalb der EU macht Malta so interessant für deutsche Unternehmen. Neben der englischen Amtssprache spricht die Bevölkerung Maltesisch, eine semitische Sprache wie das Arabische. So kommt es, dass die erzkatholische Bevölkerung in der Kirche zu "Allah" (deutsch: "Gott") betet.

Noch aus britischer Kolonialzeit herrscht Linksverkehr. Dazu gibt es eine Anekdote, die treffend die maltesische Mentalität beschreibt: Ein Tourist fragt mitten im subtropischen Hochsommer den einheimischen Mietwagen-Verleiher, ob auf der Insel Links- oder Rechtsverkehr herrsche. Die Antwort: "Weiß ich auch nicht so genau. Wir fahren immer auf der Seite, wo Schatten ist."

Die Erklärung ist ebenso einfach wie verblüffend: Der Heimathafen von 14 der 15 KD-Schiffe ist nicht etwa der Niehler Hafen im Norden Kölns, wo die Flotte im Becken 4a regelmäßig gewartet wird, sondern laut Schiffsregister der Hafen von Valletta.

Valletta? Das ist die Hauptstadt des Inselstaates Malta, 80 Kilometer südlich von Sizilien gelegen und rund 300 Kilometer von der Küste Afrikas entfernt - für Binnenschiffe mit ihrem minimalen Tiefgang also unerreichbar.

Auch der 90 Meter lange und 19 Meter breite Katamaran "MS Rhein-Energie", das Flaggschiff der KD-Flotte, mit dem der Papst 2005 zum Weltjugendtag nach Köln pilgerte, war noch nie in seinem Heimathafen. Nur das jüngste Schiff der Köln-Düsseldorfer, die am 5. Mai getaufte, 9,3 Millionen Euro teure "MS RheinFantasie", fährt - noch - unter deutscher Flagge.

Unter fremder Flagge: Da denkt man unwillkürlich an die illustren griechischen Reeder Onassis und Niarchos, die einst mit ihrem Privatleben die Regenbogenpresse bereicherten, man denkt an Panama und die Bahamas, mitunter auch an schrottreife Öltanker, die unter der Flagge Liberias als ökologische Zeitbomben die sieben Weltmeere durchpflügen. Zu den sogenannten Billigflaggen zählen aber auch die beiden einzigen EU-Mitglieder südlich des 36. Breitengrades: Zypern und Malta.

Warum aber sind hochseeuntaugliche Rheinschiffe in Valletta als Heimathafen registriert? "Das hat keineswegs steuerliche Gründe", versichert KD-Pressesprecherin Nicole Becker. "Vielmehr hat unser Hauptaktionär all seine Schiffe in Valletta registriert, der Ordnung halber auch die KD-Binnenschiffe. Aber unsere Steuern zahlen wir natürlich in Köln."

Das trifft zweifellos auf die KD-Verwaltung am Rheinufer der Kölner Altstadt zu. Doch die Bedeutung des traditionsreichen Mutterhauses ist inzwischen erheblich gesunken. Denn seit zweieinhalb Jahren gehören sämtliche KD-Rheinschiffe (samt Besatzung) zu einem neuen Unternehmen namens KD-Europe mit Sitz in Luxemburg.

Und der Hauptaktionär, die Investment-Firma Premicon AG mit Hauptsitz in München und Nebensitz in Limassol auf Zypern, die inzwischen 98 Prozent der KD-Aktien besitzt, macht gar keinen Hehl aus der wahren - und tatsächlich völlig legalen - Motivation: "Natürlich hat das steuerrechtliche Gründe", sagt Premicon-Sprecherin Antje Schwuchow. "Aus demselben Grund sind unsere Flusskreuzfahrtschiffe alle auf Zypern gemeldet. Wir bieten Steuermodelle, die für unsere Kapitalanleger günstiger sind."

Die Geschichte der KDDie Ursprünge der Köln-Düsseldorfer Deutsche Rheinschiffahrt AG (KD) reichen bis in das Jahr 1826 zurück, als am 11. Juni in Köln die Preußisch-Rheinische Dampfschiffahrtsgesellschaft gegründet wurde. Das erste Schiff, der Raddampfer Concordia, ging am 1. Mai 1827 auf Jungfernfahrt.

1832 wurde das Unternehmen erstmals an der Kölner Börse notiert. Damit ist die KD die älteste durchgehend börsennotierte Aktiengesellschaft der Welt.

Von 1960 an bot die KD auch Rheinkreuzfahrten an; die "MS Europa" war das erste jemals gebaute Flusskreuzfahrtschiff.

1993 verkauften die damaligen KD-Gesellschafter (Sparkasse Düsseldorf, Bankhaus Sal. Oppenheim jr. & Cie. und Henkell & Co.) das Unternehmen an die WestLB. Die ließ die veraltete Flotte sanieren, spaltete das Unternehmen anschließend auf und verkaufte 2000 das Flusskreuzfahrtgeschäft an Viking, das Tagesausflugsgeschäft an die Premicon AG. 2009 gründete die KD eine 100-prozentige Tochter in Luxemburg. Auch die KD-Schiffe (samt Besatzungen) wechselten zu der neuen Gesellschaft namens KD-Europe und sind seither in Valletta registriert.

Der Geschäftszweck der Premicon-Gruppe, die sich in München neben dem sechsköpfigen Management inklusive Vorstand mit 15 Mitarbeitern begnügt, aber laut jüngstem Geschäftsbericht im Bundesanzeiger Dutzende Tochterfirmen vorweisen kann, ist "die Investition des Vermögens deutscher Kapitalanleger in Wachstumsmärkte".

Die 25 Flusskreuzfahrtschiffe der Gruppe sind allesamt gut verchartert, allein sechs Schiffe laufen unter dem Label des Reiseveranstalters TUI. Neben den Binnenschiffen unterhält Premicon auch das traditionsreiche Hochsee-Kreuzfahrtschiff "MS Astor" sowie im internationalen Frachtsektor Beteiligungen an neun Hochsee-Containerschiffen.

Und wer sein Geld lieber auf festem Grund und Boden investiert, dem hat das Unternehmen mit dem Bau zweier großer Shopping-Center in den US-Boomtowns Orlando (Florida) und Atlanta (Georgia) laut Eigenwerbung auf der Internet-Website stolze 21,2 Prozent Rendite verschafft.

Von der "Malta-Masche", wie das Steuermodell der Mittelmeer-Insel unter Finanzexperten genannt wird, halten die zwischen Oberwinter und Bonn beheimateten Eigner und Genossenschaften gar nicht viel.

Die Bonner Personen Schifffahrt (Rheinprinzessin, Moby Dick, Beethoven, Poseidon, Filia Rheni), die Personenschifffahrt Siebengebirge (Godesia, Petersberg, Berlin), die Personenschifffahrt Franz Schmitz in Königswinter (Theresia), die Rheintourist-Königswinter (Neptun) - all diese Familienunternehmen fahren unter deutscher Flagge.

"Wir nutzen doch die ganze Infrastruktur hier, die von den Steuerzahlern finanziert wird - dann sollten wir auch unsere Steuern in Deutschland bezahlen", sagt ein Schiffseigner aus dem Siebengebirge, der aber nicht namentlich genannt werden will: Der Druck im Wettbewerb mit dem Branchenriesen KD scheint gewaltig zu sein.

Petra Gottschlich, Mitgesellschafterin und Aufsichtsratsvorsitzende der Bonn Personen Schifffahrt, vertritt dieselbe Meinung auch öffentlich: "Als Familienunternehmen sehen wir uns auch in einer besonderen moralischen Verantwortung. Wenn alle Betriebe, die in Deutschland ihr Geld verdienen, ihre Steuern nicht mehr in Deutschland bezahlten, dann kann man erahnen, was mit unserem Land passieren würde."

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