Vor 20 Jahren im Amtsgericht Euskirchener Amokschütze tötete in Gummistiefeln

EUSKIRCHEN · Vor 20 Jahren erschoss Erwin Mikolajczyk seine Ex-Freundin, den Richter und vier Unbeteiligte. Seit dem Attentat herrschen im Gericht strenge Sicherheitsauflagen.

 Erheblich beschädigt war das Nebengebäude des Euskirchener Amtsgerichts, nachdem der 39-jährige Attentäter am 9. März 1994 eine selbst gebaute Bombe gezündet hatte, die ihn selbst tötete.

Erheblich beschädigt war das Nebengebäude des Euskirchener Amtsgerichts, nachdem der 39-jährige Attentäter am 9. März 1994 eine selbst gebaute Bombe gezündet hatte, die ihn selbst tötete.

Foto: GA-Archiv

Es gibt wohl niemanden im Gerichtssaal, dem das skurrile Äußere des seltsam gekleideten Mannes auf der Anklagebank nicht merkwürdig vorkommt: Mit Gummistiefeln an den Füßen und in einen Lackmantel gehüllt, betritt Erwin Mikolajczyk den Raum in einem Nebengebäude des Euskirchener Amtsgerichts. Dazu trägt er eine Kette mit Knoblauchzehen, ein Stirnband und ein riesiges Kreuz. Es ist der 9. März 1994, kurz vor 13 Uhr.

Als Richter Alexander Schäfer den Einspruch des 39-jährigen, wegen gefährlicher Körperverletzung Verurteilten abschmettert, geschieht das Unfassbare: Erwin Mikolajczyk richtet im Euskirchener Amtsgericht ein Blutbad an, bei dem sieben Menschen ums Leben kommen - darunter der Attentäter. Am morgigen Sonntag jährt sich der Jahrestag dieses Amoklaufs zum 20. Mal.

Kaum sind die Worte des 32 Jahre alten Richters verklungen, verlässt Erwin Mikolajczyk, der als Heizwerker beschäftigt ist, den Gerichtssaal. Der Vorwurf: Er soll seine 56 Jahre alte Ex-Freundin Vera Lamesic immer wieder brutal geschlagen haben. Verurteilt ist er bereits zu einer Strafe von 90 Tagessätzen à 80 Mark - summa summarum 7200 Mark, heute rund 3700 Euro. Der Verurteilte nimmt den Richterspruch nach Aussage von Augenzeugen zwar teilnahmslos entgegen, bleibt aber nicht auf seinem Platz auf der Anklagebank sitzen, sondern macht sich unauffällig aus dem Staub.

Dann erfüllen Schreie den Flur vor dem Gerichtssaal. "Der schießt um sich", brüllt die 56-jährige frühere Freundin Mikolajczyks. Schüsse einer großkalibrigen Schusswaffe hallen durch die Gänge. Mit einem schweren Colt, Kaliber 45, und einem Rucksack auf dem Rücken, taucht der bis dato nicht vorbestrafte Mann aus Euskirchen wieder auf. Scheinbar wahllos schießt er um sich. Im Kugelhagel sterben ein 37 Jahre alter unbeteiligter Augenzeuge und eine 71 Jahre alte Frau. Auch Vera Lamesic hat keine Chance zu fliehen: Sie sackt tödlich von Kugeln getroffen auf dem Gerichtsflur zusammen.

Nur Sekunden später stürmt der Amokschütze in den Gerichtssaal, zielt auf Richter Alexander Schäfer und erschießt ihn kaltblütig. Ebenso streckt der 39-Jährige eine 67-jährige Zuschauerin mit dem Colt nieder, außerdem einen 39 Jahre alten Mann. Die Staatsanwältin und der Protokollführer des Verfahrens werfen sich geistesgegenwärtig hinter die schweren Richtertische und überleben die Bluttat.

Nachdem er bereits sechs Menschen auf dem Gewissen hat, zielt Erwin Mikolajczyk eiskalt auf den Kopf des Rechtsanwaltes, der bereits, von mindestens einer Kugel in die Schulter getroffen, am Boden liegt. Der 39-Jährige drückt ab, aber anstatt eines Schusses ist nur ein metallisches Klicken zu hören - die Munition ist verbraucht. Der Anwalt überlebt schwer verletzt.

Anstatt nachzuladen, zieht der Gewalttäter an einer Leine seines Rucksacks und zündet damit eine - offenbar selbst gebastelte - Bombe mit enormer Sprengkraft. Eine gewaltige Detonation zerfetzt den Amokschützen. Die Explosion schleudert ihn aus dem Gebäude auf die Straße. Das dreistöckige Haus ist erheblich beschädigt. Eine Innenwand stürzt ein, Glassplitter liegen 50 Meter weit verstreut. Augenzeugen berichten, dass es nach dem lauten Knall für einen kurzen Moment mucksmäuschenstill ist in Euskirchen.

Doch nur wenig später bricht lautstarke Panik rund ums Gerichtsgebäude aus. Gerichtsmitarbeiter und Besucher stürzen verunsichert nach draußen, Verletzte schreien, ein Junge voller Glassplitter brüllt um Hilfe. Weitere Todesopfer fordert das Verbrechen nicht mehr.

Als Folge der unfassbaren Tat stellt das Land das gesamte Sicherheitskonzept für Justizgebäude um. Im Landgerichtsbezirk Bonn erhält kein Besucher Zutritt, der nicht zuvor kontrolliert worden ist. Jeder, der nicht Mitarbeiter ist, muss einen Metalldetektor passieren, jede Tasche wird durchleuchtet. Alles, was als Waffe benutzt werden kann, stellen die Wachleute sicher.

Am Montag, 10. März, gedenken die Mitarbeiter des Amtsgerichts Euskirchen um 12.55 Uhr des Amoklaufs mit einer Gedenkminute am Eingang des Gerichtsgebäudes.

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