GA-Serie "Rheinische Redensarten" Esst un drinkt üch satt, un kutt nit bal widder

In der Serie „Rheinische Redensarten“ beleuchten wir mit Unterstützung von Dialektsachverständigen bedeutungstiefe Redewendungen.

 Esst und trinkt Euch satt und kommt nicht bald wieder.

Esst und trinkt Euch satt und kommt nicht bald wieder.

Foto: GA-Grafik

Die Gastfreundschaft des Rheinländers ist sprichwörtlich. Denn er weiß, dass jeder mal in die Situation kommen kann, in der er Unterstützung braucht. Sei es in Form von Essen im Topf, einem Dach über dem Kopf oder einem freundlichen Wort.

Da scheint es ein Widerspruch zu sein, dass der rheinische Dialekt auch die Redewendung kennt: „Esst un drinkt üch satt, un kutt nit bal widder“. Auf Hochdeutsch heißt das: Esst und trinkt Euch satt, und kommt nicht so bald wieder.

Was ist da vorgefallen, möchte man fragen, dass der Gastgeber den Gast so deutlich wahrnehmbar loswerden will? Eigentlich kaum vorstellbar, denn der Rheinländer ist Träger eines sehr hohen emotionalen Intelligenzquotienten. Er kann sich in den Mitmenschen einfühlen. Er pflegt sogar mit wildfremden Menschen gern den zwanglosen Körperkontakt. Man denke nur an das Schunkeln, das mit Recht als typisch rheinisches Verhaltensrepertoire gilt. Und dann auch noch die Lieder, die eigentlich keinerlei Zweifel aufkommen lassen dürften: Drink doch ene met. Trink einfach einen mit. Und stell Dich nicht so an...

Nun weiß man aber auch, dass Gutmütigkeit zuweilen ausgenutzt wird. Und diese Zeitgenossen gibt es auch zuhauf. Hierzulande hat sich dafür der Begriff Klävbotz eingebürgert. Das ist jemand, dessen Hose so klebrig ist, dass es ihm unmöglich erscheint, nach Hause zu gehen, so lange es bei einem spendablen Gastgeber noch etwas zu holen gibt.

Dass derjenige durch sein Verhalten nicht gerade – wie man heute sagen würde – ein Netzwerk aufbaut, sondern vielmehr nach und nach durch alle Raster fällt, das versteht sich von selbst.

Übrigens hat der große irische Schriftsteller James Joyce diese Gefahr in seinem beinahe unlesbaren Roman Ulysses angesprochen, als er in einer Nebenbemerkung über den Protagonisten Bloom den Tipp fallen ließ: „Ja nicht länger bleiben als man gern gesehen ist.“ Ein guter Rat, denn dann kann man bei anderer Gelegenheit auch noch mal wiederkommen.

Haben auch Sie einen rheinischen Lieblingsspruch, dann mailen Sie ihn uns unter rheinisch@ga.de. Die „Rheinischen Redensarten“ aus der wöchentlichen Kolumnenserie des General-Anzeigers sind als Buch erschienen und ab sofort in den GA-Geschäftsstellen und im Handel zu haben. Das gedruckte Werk hat die Edition Lempertz verlegt, ISBN: 978-3-96058-211-3, es kostet 9,99 Euro.

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