Die Villa Rheinau fand einen Liebhaber

Bonner Privatier will das 1875 entstandene Landhaus renovieren - Der Unkeler Bernhard Gelderblom erlebte dort vor 60 Jahren ein Paradies mit Strand und Obstwiesen

Die Villa Rheinau fand einen Liebhaber
Foto: Frank Homann

Königswinter. Im Kurzexposee der Immobilienfirma steht "Villa Belvedere". Bernhard Gelderblom schüttelt den Kopf, dieser Name sagt ihm überhaupt nichts. Der Unkeler kennt das Anwesen nur als "Villa Rheinau": "1994 bin ich einmal hineingegangen. Und plötzlich wurde alles wieder lebendig."

Gelderblom verbindet mit der Villa familiäre Wurzeln, Kindheits- und Jugenderinnerungen: Der heute 74-Jährige wuchs dort auf, kletterte in den riesigen Rotbuchen und Linden im Park, paddelte auf einem Floß um das Landhaus, als Hochwasser es wieder einmal zur Insel machte. Die Villa mit dem Turm ist heute schwer ramponiert, vor allem das Jahrhunderthochwasser 1993 hat ihr schwer zugesetzt. Seitdem war sie unbewohnt. Einbrecher brachen Fenster heraus, hebelten sogar die fast 100 Jahre alte Haustür aus. In die Lampe an der Grundstückseinfahrt hat lange niemand mehr eine Glühbirne geschraubt, die Briefkästen sind kaputt.

Nun aber hat das Haus wohl endlich einen Liebhaber gefunden: Ein Bonner hat die Gründerzeitvilla an der Niederdollendorfer Hauptstraße 204 gekauft. Mit seiner Familie will er die "Villa Rheinau" bewohnen. Noch eine weitere Wohnung plant er in dem Gebäude. Der neue Eigentümer will die Ärmel hochkrempeln. Holzwurm und Schwamm müssen heraus. Vielleicht lebt der Charme der alten Tage, der sich noch erahnen lässt, dann ja wieder auf. "Es gab viele Interessenten", sagt Immobilienmaklerin Eva Werning aus Römlinghoven. Viele verließ aber der Mut, als sie sahen, wie heruntergekommen die Villa ist. Zudem darf das mehr als 2 000 Quadratmeter große Terrain nicht bebaut werden. Werning: "Viele hätten die Villa gerne abgerissen und neu gebaut." Doch da ist der Denkmalschutz vor.

Die Maklerin war ein Jahr mit dem Objekt betraut. Beauftragt von der Bauunternehmung Fonteyne aus Geldern am Niederrhein. Diese Firma hatte das Anwesen, ebenso wie das jüngst auch verkaufte "Haus Rheinau" nebenan, 1997 zusammen mit einem 70 000-Quadratmeter-Terrain am Rheinufer von der Familie Lemmerz erworben. An Lemmerz hatten Gelderbloms Großeltern Elly und Gustav von Eynern 1953 verkauft: Dem betagten früheren Kaufmann und seiner Frau wuchs das Anwesen über den Kopf.

Mit seiner Mutter war Bernhard Gelderblom 1927 als Zweijähriger bei den Großeltern sowie einer Tante, der Schwester seiner Mutter, in der Villa eingezogen. Das Grundstück erstreckte sich damals von der Hauptstraße bis an den Rhein. Nicht nur für Kinder ein Paradies mit Spielgelegenheiten und Badeplätzen, eigenem Strandpavillon, Obst- und Gemüsegärten. "Allein 24 Sorten Kirschen", erinnert sich Gelderblom, gab es im Garten. Bis Kriegsanfang hatte die Familie einen Gärtner, der sich um alles kümmerte. Und der Großvater "ging abends an den Rhein und planschte". In Gelderblom, heute noch begeisterter Paddelbootfahrer und -erbauer, wuchs die Liebe zum Wasser. Das der Villa immer wieder zuleibe rückte: "1926 stand das Wasser bis kurz unter die Tastatur des Flügels im Salon."

Durch Gelderbloms Urgroßvater Ernst von Eynern war die Villa 1898 in Familienbesitz gelangt: Der aus Wuppertal stammende Kaufmann und Abgeordnete des preußischen Landtages hatte den Landsitz mit 26 000 Quadratmetern Areal für 80 000 Goldmark gekauft. 1906 verunglückte der mit dem Dichter Ferdinand Freiligrath befreundete Urgroßvater Gelderbloms tödlich.

Obwohl er 1957 als 30-Jähriger auszog, verlor der heute pensionierte Architekt das Haus nie aus den Augen. Er registrierte, dass die Firma Lemmerz viel investierte, es in Einzelwohnungen für leitende Angestellte des Autoräderwerks unterteilte. Aushub, der beim Bau der Fabrikhallen anfiel, wurde im Park angehäuft, so dass dieser dasselbe Niveau erhielt, wie das Villengebäude. Auffallend ist bis heute die nahezu fensterlose Wand auf der Grundstücksgrenze zur Nummer 200, dem "Haus Rheinau": Die "Villa Rheinau" von Anno 1875 orientiert sich strikt zum Drachenfels als Bezugspunkt, als "Point de vue".

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