Die Handschellen schnappen noch im Gerichtssaal zu

Aussage eines Opfers bringt mutmaßliche Vergewaltiger wegen Verdunkelungsgefahr hinter Gitter - Prozess am Bonner Landgericht

Bonn. An diesem Samstag wird Andreas E. 32 Jahre alt, und dass er seinen Geburtstag hinter Gittern verbringen muss, hätte er noch vor zwei Tagen nicht gedacht: Am Freitag wurden er und sein Freund Henius H., ebenfalls 32, im Bonner Landgericht verhaftet und sofort ins Rheinbacher Gefängnis gebracht.

Die beiden Männer müssen sich seit zurzeit vor der 1. Großen Strafkammer verantworten, laut Anklage sollen sie Ende August 2001 zwei junge Mädchen, die nicht länger für sie als Prostituierte arbeiten wollten, am Rotter See in Troisdorf-Sieglar der Reihe nach vergewaltigt haben. Bisher befanden sich die beiden Männer auf freiem Fuß, doch als sich nun herausstellte, dass das 17-jährige Opfer, das zurück nach Estland geflüchtet war, dort in ihrem Auftrag unter Druck gesetzt worden sein soll, schnappten die Handschellen zu.

Den Ermittlungen zufolge sollen die Angeklagten, die in Estland und Kasachstan geboren wurden, die beiden 19 und 17 Jahre alten Mädchen Sonja und Anna (Namen geändert) selbst aus Estland geholt haben. Hier sollen sie sie in Bordelle gesteckt haben - und sich im Juli 2001 geweigert haben, sie wieder laufen zu lassen. Laut Anklage machten sie den Mädchen klar, dass sie erst nach Hause dürften, wenn sie die Transportkosten von mehreren tausend Euro abgearbeitet hätten. Und dann soll es Ende August zu der Strafaktion am Rotter See gekommen sein.

Die beiden Angeklagten und ein unbekannt gebliebener dritter Mann nahmen die beiden Mädchen und eine weitere 19-jährige Estin mit an den See und zwangen sie laut Anklage, mit ihnen schwimmen zu gehen. Und anschließend sollen alle drei Männer über Sonja und Anna hergefallen sein und sie abwechselnd und mehrfach vergewaltigt haben. Das dritte Mädchen blieb verschont.

Im Rahmen von Ermittlungen im Rotlichtmilieu wurden die Taten bekannt, doch die Identität der 17-jährigen Anna konnte nicht ermittelt werden. Nun im Prozess traten nur Sonja mit ihrer Anwältin und das dritte Mädchen in den Zeugenstand. Hinter verschlossenen Türen wurde Sonja zwölf Stunden lang befragt, vor allem von den Verteidigern. Auch die dritte junge Frau muss auf Wunsch der Verteidigung ein zweites Mal in den Zeugenstand. Und dann überraschten die Anwälte die Kammer mit dem Antrag, die 17-jährige Anna aus Estland kommen zu lassen und warteten mit deren Identität auf. Im Auftrag des Gerichts kontaktierte die Gerichtsdolmetscherin die 17-jährige Anna und fragte sie, ob jemand sie in der letzten Zeit unter Druck gesetzt habe.

Und tatsächlich bestätigte Anna in dem Telefonat: Ein Verwandter eines der Angeklagten habe sie aufgesucht und ihr klar gemacht, was sie vor dem Bonner Landgericht auszusagen habe: Sie sei am Tattag mit ihm zusammen gewesen. Das reichte der Kammer, wegen Verdunkelungsgefahr erließ sie Haftbefehl gegen die Angeklagten. Zum nächsten Prozesstag wird Anna anreisen. Wie ein Gerichtssprecher bestätigte, ist für ihre Sicherheit gesorgt.

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