Der Tag, an dem die "Franziska" sank

Am 9. Februar vor 60 Jahren starben bei einem Bombenangriff auf Kripp 16 Menschen - 14 Bürger überlebten im Keller des eingestürzten Hauses

  Das Fährschiff "Franziska"  erhält am 9. Februar 1945 einen Volltreffer durch angreifende amerikanische Bomber. Repro: Vollrath

Das Fährschiff "Franziska" erhält am 9. Februar 1945 einen Volltreffer durch angreifende amerikanische Bomber. Repro: Vollrath

Remagen-Kripp. Februar 1945: Der Krieg tobt. Die Front rückt näher. Es ist bitterkalt - um die 20 Grad minus -, und die Menschen hören immer noch die Meldungen von den angeblich siegenden deutschen Truppen. Wollen es aber schon gar nicht mehr hören. Die Ardennenoffensive, mit der Hitler die alliierten Truppen zurückwerfen wollte, ist gescheitert: "Die Wacht am Rhein" im Frontabschnitt Monschau-Echternach ist zum Erliegen gekommen, allerdings verharren die Alliierten kurzzeitig an der "Siegfriedlinie", dem Westwall. Die Deutschen haben 1 088 Flugzeuge und 970 Panzer verloren, 100 000 deutsche Soldaten bleiben auf dem Feld. Die Alliierten übernehmen die Lufthoheit. Luftangriffe sind an der Tagesordnung. Verwundete und verstümmelte Soldaten gehören zum Straßenbild.

Am 1. Februar, gut eine Woche bevor Kripp unter einem Bombenteppich liegt, hält Adolf Hitler seine letzte Rede: "Es gibt für uns nur das eine Gebot, wer ehrenhaft kämpft, kann damit das Leben für sich und seine Familie retten, wer der Nation aber feige und charakterlos in den Rücken fällt, der wird unter allen Umständen eines schimpflichen Todes sterben. Siegen wird in diesem Kampf nur unser Großdeutsches Reich, die deutsche Nation."

In Remagen gibt es nur noch ganz wenige, die den Siegestrompeten folgen, ist der 2. Januar doch noch zu gut im Gedächtnis. An diesem schrecklichsten Tag für die Römerstadt griffen 56 Bomber bei geschlossener Wolkendecke die Ludendorffbrücke an. Nach den Recherchen von Lothar Brüne und Jakob Weiler in ihrem Buch "Remagen im März 1945" gehen 127 450-Kilo-Bomben und 82 900-Kilo-Bomben auf die Stadt nieder. Remagen zählt 28 tote Zivilisten und acht tote Soldaten. Die Stadt liegt in Schutt und Asche. Auf der anderen Rheinseite, in Erpel, sind keine Todesopfer zu beklagen. Allerdings gibt es erhebliche Häuserschäden. Rund 400 Menschen werden bei grimmiger Kälte obdachlos.

Und die Bombenangriffe gehen weiter. Die Sinziger Eisenbahnbrücke ist immer wieder das Angriffsziel. Schließlich verkehren auf der Eisenbahnstrecke Nr. 249 Köln-Mainz noch 21 Zugpaare, davon sechs D-Züge und drei Eilzüge mit Halt in Remagen. Und besonders die Abzweigung zur Ahrtalstrecke liegt unter besonderem Beschuss, gilt diese Gleisverbindung doch als direkte Nachschubverbindung zur Westfront.

In Kripp hört man immer wieder das Nahen der Bomber, Sirenengeheul ist an der Tagesordnung, in den Kellern herrscht Hochbetrieb. Doch der Rheinort ist bis Februar 1945 vom Schrecklichsten verschont geblieben. Lediglich vor Ostern 1940 kommt eine Bombe im Bereich der Kiesgrube Wahl herunter, richtet aber keinen größeren Schaden an. Durch eine Luftmine, die in den Hanggärten niederging, entsteht im Oberdorf beträchtlicher Schaden. Auch die Kirchenfenster gehen durch die Druckwelle zu Bruch.

Doch der 9. und der 13. Februar wird den Krippern für immer im Gedächtnis bleiben. Hochwasser, Pegelhöchststand in Andernach 8,38 Meter. Mit dem Nachen holen die Menschen ihre Lebensmittelkarten in der alten Schule ab. Der 9. Februar beschert eine geschlossene Wolkendecke. In England starten 36 "Marauder" mit dem Ziel, militärische Nachschubwege zu zerstören, Eisenbahngleise unbrauchbar zu machen, Flussüberquerungen zu beseitigen.

Am Kripper Rheinufer dümpelt die "Franziska", die 1937 den Betrieb aufgenommen hatte, vor dem Haus Deubener. Das Schiff der "Bad Honnefer Fährgesellschaft" mit Fährmeister Peter Valentin hatte wegen des Hochwassers den Verkehr eingestellt. Gegen 16 Uhr, so Zeitzeugen, gibt es Fliegeralarm, die Menschen hasten in die Keller. Nicht so am Rhein - Hochwasser. Wenige Minuten später das Brummen der zweimotorigen 1 850 PS-Maschinen. Auf die Ahrbrücke fällt an diesem Tag keine einzige Bombe, die "Franziska" versinkt in den Fluten des Rheines - Volltreffer. Nahezu die gesamte Häuserfront am Ufer, bis zum Badenacker hin, fällt unter einem Bombenteppich in sich zusammen.

Marianne Überbach, die sorgfältig Tagebuch führte, verzeichnet an diesem Tag 16 Tote. Unter ihnen Fährmeister Peter Valentin und Frau Katharina. Verschüttete werden mit den bloßen Händen geborgen. In Linz wird die Familie des Studienrates Lohmann ausgelöscht, zwei der 20-Zentner-Bomben durchschlagen das Viadukt der Reichsbahn. Historiker streiten sich, ob die Sinziger Eisenbahnbrücke verfehlt wurde, oder die Fähre das Angriffsziel war. Von Letzterem ist der Kampfkommandant der Remagener Brücke, Hauptmann Bratge, überzeugt. Den Toten und ihren Anverwandten nutzt es nichts mehr.

Die Bomben fallen weiter: am Fastnachtssonntag, 11. Februar, auf Sinzig und Unkel. Vikar Lueger aus Unkel schreibt: "Keine Todesopfer, die meisten Bomben fallen in den Rhein, wir sammeln tote Fische auf."

Der 13. Februar, ein weiterer Schreckenstag für Kripp: 72 Maschinen werfen erneut ihre Tod bringende Last in Richtung Ahrbrücke. Die Kripper Ahrstraße wird getroffen. Wohnhäuser sinken in sich zusammen. Auch das von Peter Küpper. 14 Menschen haben im Keller Schutz gesucht. Sie werden mit den Händen ausgebuddelt. Sie überleben wie durch ein Wunder.

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