Der "Modellhäftling" jettet mit Kreditkarte

Berthold Kaaf, der allein der Stadt Bonn 56 Millionen schuldet, ist trotz Haftstrafe im Geschäft - Nur das Edelrestaurant ist gestrichen - wegen schlechten Eindrucks

Der "Modellhäftling" jettet mit Kreditkarte
Foto: Max Malsch

Bonn. Berthold Kaaf ist ein Glückspilz. Zwar wurde der 59-Jährige, der einst als Bonner Bauträger mit Millionen jonglierte und bei den Mächtigen in Stadt und Land hoch im Kurs stand, Ende 1999 wegen Untreue und Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu vier Jahren und zehn Monaten Freiheitsentzug verurteilt. Doch er genießt nach wie vor ein beachtliches Maß an Freiheit: Er geht seiner alten Profession nach, isst in teuren Restaurants, er reist sogar mit dem Flieger quer durch die Republik. Berthold Kaaf, der Mann, der den früheren Oberstadtdirektor Dieter Diekmann (CDU) schmierte, weil große Geschäfte ohne Schmiergeld nicht laufen (O-Ton Kaaf im Prozess), der seine Schulden mit 380 Millionen Mark bezifferte und allein bei der Stadt Bonn mit 56 Millionen Mark Gewerbesteuer in der Kreide steht, ist ein Glückspilz, weil es den Erlass des damaligen Düsseldorfer Justizministers Fritz Behrens (SPD) vom 1. Januar 1997 gibt.

Dieser Erlass kam nach Auffassung vieler Richter und Staatsanwälte auf so leisen Sohlen daher, dass selbst sie ihn erst allmählich in seiner vollen Tragweite begriffen: Im Rahmen eines neuen Strafvollstreckungsplans soll jeder zu einer Haftstrafe verurteilte Straftäter, der sich zum Zeitpunkt des Urteils "auf freiem Fuß befindet", zur Verbüßung seiner Strafe in eine Anstalt des offenen Vollzugs geladen werden. Im Klartext: Egal was einer angestellt hat und wie hoch die Strafe ausfällt - wenn er es schafft, vor dem Urteil aus der U-Haft herauszukommen, muss er im Regelfall nach seiner Verurteilung nur noch für die Nächte hinter Gitter.

Auch Kaaf wurde nach vier Monaten U-Haft vor seinem Urteil von der Haft verschont. Dank des Erlasses blieb er auf freiem Fuß - und meldete sich im Februar 2000 im Gefängnis Euskirchen, einer Anstalt des offenen Vollzugs, zum Haftantritt. Was er brauchte, hatte er dabei, vor allem eins: den Nachweis über eine Arbeitsstelle auf dem freien Markt - als Projektentwickler einer neuen Immobilienfirma in Bonn. Für die ist er nun unermüdlich unterwegs. Kaaf sei ein regelrechter Workaholic, um seine Schulden abzutragen, sagt der Leiter des Euskirchener Gefängnisses, Ulrich Beckheuer, für den Resozialisierung kein bloßes Wort ist.

Kaaf, der Gefangene "im freien Anstellungsverhältnis", hat auch im Gefängnis Glück. Er wurde in ein Modellprojekt aufgenommen, das ihm so viel Freiheit lässt, wie ein Häftling im offenen Vollzug nur haben kann: Er hatte bis vor kurzem so flexible Arbeitszeiten, dass er bis spät nachts ausgehen konnte. Dass er mehrfach in einem Bonner Luxusrestaurant gesehen wurde, verstieß zwar nicht gegen die Bestimmungen und stieß auch im Strafvollzug auf Verständnis: "Herr Kaaf kann mit Geschäftsfreunden ja nicht bei McDonalds essen." Doch wegen des schlechten Eindrucks bat man ihn zunächst nur, davon abzusehen, und sprach nun im Wiederholungsfall ein diesbezügliches Verbot aus. Herr Kaaf, so heißt es dazu vom zuständigen Justizvollzugsamt in Köln, habe sich sehr kooperativ gezeigt und das auch eingesehen. Zur Zeit muss er pünktlich um 22 Uhr zurück im Gefängnis sein.

Als "Modellhäftling" genießt Berthold Kaaf noch ein weiteres Privileg: Der Mann, gegen den zahlreiche Insolvenzverfahren laufen, darf über sein Geld selbst verfügen. Fünf Mark am Tag muss er zahlen für die vorrangig nachts genutzte Doppelzelle und für sein Essen im Gefängnis, sofern er dort speist. Ansonsten kann er seine Finanzen selbst regeln. Die sehen zwar desolat aus angesichts der 190 Millionen Mark Forderungen seiner Gläubiger. Und eigentlich muss er jede müde Mark oberhalb des Pfändungsfreibetrags von 1 219 Mark zur Schuldentilgung abgeben. Da er soviel arbeitet seit einem Jahr, müsste schon etwas zusammengekommen sein. Ist es aber nicht, wie der General-Anzeiger aus zuverlässiger Quelle erfuhr: Berthold Kaaf, so heißt es, verdient leider nichts. Dass er sich trotzdem was leisten kann, verdankt er allein der Großzügigkeit seines neuen Arbeitgebers: Eine Firmenkreditkarte macht''''s möglich, dass er nicht auf die Mark gucken muss, über ein Auto verfügt, und, wenn Geschäfte in Berlin winken, auch Flüge drin sind.

Wie angesichts dieser Finanzlage auf dem durch Kaaf hoch belasteten Haus seiner Mutter kürzlich eine Grundschuld von einer Million gelöscht werden konnte, weiß wohl nur Kaaf selbst. Die Stadt Bonn jedenfalls scheint zu glauben, dass bei Kaaf nichts mehr zu holen ist: Sie schlug dessen Schulden von 56 Millionen Mark im November befristet nieder. In ihrem Insolvenzverfahren gegen Kaaf, das im Sommer eröffnet wurde, fordert die Stadt ohnehin nur einen einstelligen Millionenbetrag. Das aber, so versichert die Stadtverwaltung am Montag auf mehrmalige Anfrage des General-Anzeigers, liege nur daran, dass das Finanzamt die endgültige Schätzung der Schulden Kaaf erst im September mitgeteilt habe. Mittlerweile habe die Stadt die "Restforderung" nachgereicht. Davon war bei der Justiz zumindest am vergangenen Freitag nichts bekannt.

Dazu der Kommentar: Nichts als Fragen

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