Der Kaiser der Paradeiser

Im Burgenland pflanzt Erich Stekovics mehr als 3 200 Sorten Tomaten an - Sein Sinziger Freund Jean Marie Dumaine und der Scheich von Katar schwören auf den natürlichen Geschmack

Der Kaiser der Paradeiser
Foto: dpa

Sinzig. In Deutschland heißen sie schlicht Tomaten. Die Italiener haben dem Gemüse schon einen wohlklingenderen Namen gegeben, nämlich Pomo-doro (Goldener Apfel). In Österreich nennt man die Früchte, von denen es weltweit rund 300 000 Sorten gibt, "Paradeiser".

Und Erich Stekovics ist der "Kaiser der Paradeiser". Er ist der Herr über mehr als 3 200 Paradeiser-Sorten, die er alle auf seinem Bio-Bauernhof in Frauenkirchen im Burgenland, gut eine Autostunde süd-östlich von Wien gelegen, anbaut. Auf einer Fläche von rund 35 000 Quadratmetern werden jedes Jahr mehr als 90 000 Pflanzen ausgebracht. Jede einzelne Sorte wächst auf ihrem Sitz, der Parzelle. Würde man Pflanze an Pflanze reihen, würde sich eine Strecke von gut und gerne 30 Kilometern Länge ergeben.

"Wir wollen auf unserem Hof den alten Obst- und Gemüsesorten eine Chance geben und gegen die Geschmackseinheit der Großbauern antreten. Es wäre einfach viel zu schade, wenn die Vielfalt der Sorten und somit auch der Geschmacksrichtungen verloren gehen würde", erklärt Erich Stekovics, der bei seinem Freund Jean-Marie Dumaine in Sinzig zu Besuch ist.

Eine der ältesten Paradeiser-Sorten, die der "Kaiser" anbaut, ist die Peruanische Wildtomate, die schon Christoph Columbus auf seinen Reisen jenseits des Ozeans kennen gelernt hat. Dunkel-lila mit einem weißen Stern zeigt sich das Gemüse, eben ganz anders als man Tomaten sonst kennt. Aber auch aus den neuen Bundesländern stammen einige Sorten. Sie tragen Namen wie "Deutscher Fleiß" oder "Deutsches Gold".

Das Saatgut, das Erich Stekovics verwendet, kommt zum Teil noch von ehemaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften der damaligen DDR, original verpackt aus dem Jahre 1979 und älter. "Wir waren selber überrascht, dass wir noch einen Saaterfolg von rund 90 Prozent erzielen konnten." Aber auch aus dem Gebiet der ehemaligen UdSSR kauft er immer wieder Saatgutsammlungen auf. Dort hätten aufgrund des Eisernen Vorhangs viele Sorten "überlebt", die im Westen längst der Industrialisierung zum Opfer gefallen seien.

Zum Gemüse ist Erich Stekovics, der eigentlich Theologie studiert hat, über den elterlichen Betrieb gekommen. Sein Vater hatte die Landwirtschaft bis 1983 betrieben, dann wurde der Betrieb zunächst stillgelegt. Die ersten Ideen, dem naturidentischen Geschmack eine Chance zu geben, kamen im Jahr 1999, ein Jahr später erfolgte dann die Wiederaufnahme der Arbeiten auf dem elterlichen Hof.

"Das Besondere bei unseren Pflanzen ist sicherlich, dass die nicht gegossen werden. Von daher tragen auch nur die besten und stärksten Pflanzen aromareiche Früchte", verrät Stekovics einen Teil seines Erfolges. Ein weiterer Teil liegt sicherlich aber auch in der allgemeinen Philosophie, die der zweifache Familienvater mit seinem Unternehmen verfolgt. Die Suche nach dem natürlichen, ausgewogenen Geschmack schickt ihn immer wieder aufs Neue auf die Suche nach neuen alten Sorten, weltweit.

"Das Gemüse hat heute in der Gesellschaft leider einen Stellenwert, der weit unter dem liegt, was es verdient hat. Beim Wein versteht es sich von selber, dass man zu einem guten Tropfen greift, beim Gemüse hingegen verlassen wir uns allzu sehr auf das Angebot, das von den den Weltmarkt beherrschenden Großkonzernen angeboten wird", formuliert Stekovics seine Sorge um die Vereinheitlichung der Geschmäcker. Dass seine Paradeiser bis zum dreifachen dessen kosten, was für die Massenware hingelegt werden muss, ist für ihn ein Beweis der Qualität, die er produziert.

Als Verfechter des guten Geschmacks weiß auch Spitzenkoch Jean-Marie Dumaine um die Qualität der österreicherischen Paradeiser. In seiner französischen Gourmet-Küche werden neben veredelten Gemüsen vor allem Wildkräuter aus der Region und von ausgesuchten Gärtnern verwendet. "Naturbelassenheit und der intensive Geschmack zeichnen die Produkte von Erich Stekovics aus. Genau das, was wir als Basis für unsere Menüs brauchen", erklärt der mehrfach ausgezeichnete Küchenchef.

In der Zusammenarbeit mit den europäischen Spitzenköchen hat Erich Stekovics kongeniale Geschäftspartner gefunden, verstehen sich die Küchenchefs doch selber auch immer wieder als Künstler, die nur mit den besten Produkten arbeiten.

Den jüngsten Coup landete Stekovics im ostarabischen Staat Katar. Das Scheichtum am Persischen Golf, das durch die Erdölförderung zu enormen Reichtum gekommen ist, wird noch in diesem Jahr das Ziel von Stekovics werden. Der Scheich von Katar, der sich im vergangenen Jahr in Frankreich aufhielt, wurde durch eine Arte-Fernsehsendung auf den "Kaiser der Paradeiser" aufmerksam.

Beeindruckt von der Vielfalt der Sorten sowie von der Philosophie des Gemüseanbaus, beauftragte der Scheich den Paradeiser-Experten, auch in Katar die Paradeiser anzubauen. "Wir werden mit einer sehr großen Auswahl an Saatgut nach Katar reisen. Aufgrund der idealen klimatischen Verhältnisse können wir in einer Saison drei bis vier Ernten einholen und werden somit sehr schnell feststellen, welche Sorten für den Anbau im arabischen Land geeignet sind", erklärt Stekovics die Arbeit kommender Monate.

Dass man dem Gemüse im Scheichtum von Katar einen höheren Stellenwert einräumt als in vielen europäischen Ländern, erklärt er mit dem Einfluss der Religion auf die Menschen. Das muslimische Alkoholverbot lasse die Menschen auf andere Genussmittel ausweichen. Gemüse, das traditionell zu den häufigsten Lebensmitteln in der Region zählt, biete sich von daher als edles Genussmittel nahezu von selbst an. Die letztendliche Auswahl der Paradeiser-Sorten, die in Katar angebaut werden sollen, wird seiner Meinung nach allerdings der Scheich treffen.

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