Das Recht des Stärkeren

Glosse von Hans-Peter Fuß

Es ist ja schick geworden, an der Bahn herumzumäkeln. Nahezu jeder Bundesbürger kann ein Lied von Verspätungen und kaputten Fahrkartenautomaten singen. Das Unternehmen macht es aber auch selbst den Leuten, die es eigentlich mögen, zuweilen schwer.

Dass die Bahn, wie jetzt gemeldet, künftig in kleinen Bahnhöfen auch in der Region auf Lautsprecherdurchsagen verzichtet, kann man verschmerzen: Das Gekrächze hat ja eh niemand verstanden.

Mit der Bedienpauschale, die nach einem gewaltigen Proteststurm nun doch nicht eingeführt wird, hätte man höchstens leben können, wenn sie als Trinkgeld den Bahn-Leuten über den Schalter zugesteckt worden wäre. Doch weil dem nicht so war, regte sich alle Welt zu Recht auf.

Keiner erregt sich aber über eine mindestens ebenso dreiste Art der Geldbeschaffung, die die Bahn bereits seit Jahren praktiziert. Sie erhebt Zuschläge für die Reservierung von Sitzplätzen.

Weder im Theater noch in der Oper oder in den meisten Fußballstadien sind solche Methoden üblich. Dort erwirbt der Besucher mit dem Kauf einer Eintrittskarte selbstverständlich einen Sitzplatz, der exklusiv für ihn bestimmt ist, und muss sich nicht mit anderen Menschen um einen guten Platz balgen.

Diejenigen, die nicht bereit sind, drei Euro extra für eine Selbstverständlichkeit zu zahlen, schickt die Bahn in einen gnadenlosen Konkurrenzkampf. Im Rennen um freie Plätze haben ältere und nicht austrainierte Bahnkunden keine Chance. Es ist halt nicht jedermanns Sache, im Mantel und mit zwei Koffern in den Händen, nur gebremst vom Gegenverkehr, durch die Gänge der Großraumwagen zu sprinten. Für Menschen ohne Reservierung gilt in gut gefüllten Zügen das Gesetz der Prärie, das nur ein Recht kennt: das Recht des Stärkeren.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort