Geschäft mit chinesischen Leihfahrrädern Droht Städten in NRW der Fahrrad-Infarkt?

Bonn/Köln/Düsseldorf · Das Geschäft mit Mieträdern boomt. Chinesische Anbieter haben den europäischen Markt für sich entdeckt, mit teils problematischen Folgen. Auch in Bonn und Köln gibt es Anfragen.

 Droht den Großstädten im Rheinland ein ähnliches Szenario? Im chinesischen Shenzhen stapelten die Stadtverantwortlichen Hunderte von abgestellten Leihräder einfach an den Straßenrand.

Droht den Großstädten im Rheinland ein ähnliches Szenario? Im chinesischen Shenzhen stapelten die Stadtverantwortlichen Hunderte von abgestellten Leihräder einfach an den Straßenrand.

Foto: dpa / picture-alliance

In vielen europäischen Großstädten sind immer mehr Autos auf den Straßen unterwegs, die die Innenstädte verstopfen und mit ihren Abgasen verschmutzen. Deshalb boomt das Geschäft mit Leih-Fahrrädern. Stadt- und Verkehrsplaner sehen darin eine willkommene Gelegenheit, das Verkehrsaufkommen in ihren Kommunen zu entlasten und zugleich für mehr Lebensqualität zu sorgen.

Der Trend zum Leihrad ist inzwischen auch ausländischen Investoren nicht verborgen geblieben. Besonders Anbieter aus China und Singapur drängen massiv auf den europäischen Markt. Sie heißen "YoBike", "oBike" oder "Ofo", sind in auffälligen Farben lackiert und mit digitalen Schlössern ausgestattet. Nutzern wird per GPS-Ortung das nächste Rad angezeigt, per App können die Drahtesel dann für etwa zwei Euro die Stunde gebucht werden.

Auch Anfragen in den Rheinmetropolen

Die Stadt Bonn hat nach dem Ratsbeschluss im Mai dieses Jahres den Auftrag an die Stadtwerke erteilt, ein Fahrradverleihsystem zu organisieren. In 2018, so die Aussage der Stadtwerke, soll das Angebot in den Bonner Straßen starten. Ende Juli ist per E-Mail eine Anfrage des chinesischen Mietradanbieters "Ofo" zur Aufstellung von firmeneigenen Leihfahrrädern bei der Stadt Bonn eingegangen. Die Stadt hat diese Anfrage an die Stadtwerke zur Prüfung weitergeleitet. "Wir haben diese Anfrage erhalten und befassen uns derzeit damit", so die offizielle Bestätigung der Stadtwerke Bonn.

Auch in Köln sind in den vergangenen Wochen Interessenten aus dem chinesischen Markt auf die Stadt zugekommen, um die Möglichkeiten eines Verleihsystems in Köln zu eruieren. Erste Gespräche finden laut eines Sprechers derzeit statt. Hierbei soll geklärt werden, wo, in welcher Größenordnung und unter welchen Bedingungen ein Leihsystem in Köln starten könnte.

In Düsseldorf teilte Stadtsprecher Michael Buch auf Anfrage der Rheinischen Post mit, dass chinesische und andere Anbieter ihre Systeme vorgestellt und entsprechende Informationen dazu übergeben haben. Grundsätzlich könnten die chinesischen Anbieter die Konkurrenzsituation in den betreffenden Städten verschärfen. Bislang machen der Leipziger Anbieter "nextbike" sowie "Call a bike", ein Ableger der Deutschen Bahn, den deutschen Markt unter sich aus. Düsseldorf bietet zusammen mit "nextbike" bereits 400 Leihräder an, die Leipziger stellen auch hunderte Räder für das in zehn Ruhrgebietsstädten betriebene Projekt "Metropolradruhr".

Die Stadt Dortmund stand jüngst ebenfalls in Kontakt mit Vertretern des Pekinger Anbieters "Ofo". Über "den interessanten Ansatz der Firma" habe sich die Stadtverwaltung aber noch keine abschließende Meinung gebildet, hieß es. In der heimlichen "Fahrrad-Hauptstadt" Münster sowie in Essen sind laut deren Angaben bislang noch keine Anfragen aus China eingegangen.

Amsterdam und Zürich droht ein Fahrrad-Infarkt

Über Zahlen wie die 400 Leihfahrräder in Düsseldorf kann manch chinesischer Anbieter nur müde lächeln, wie das aktuelle Beispiel Amsterdam zeigt: Seitdem die Fernost-Verleiher dort herumfahren und ganze Lastwagenladungen an Rädern auf die Straßen "kippen", droht der Touristenmetropole ein Fahrrad-Infarkt. Schätzungen zufolge gibt es in der 840.000-Einwohner-Stadt sowieso schon rund 800.000 Fahrräder.

Da das zusätzliche Angebot aber kaum genutzt wird, stehen die chinesischen Leihräder nur nutzlos am Straßenrand herum, lehnen an Bäumen oder liegen sogar in den Grachten. Auch in Zürich waren die Räder plötzlich ohne Absprache in den Straßen, die Stadtverwaltung erhielt im Vorfeld nur eine E-Mail. Der Schweizer Tagesanzeiger titelte eine Woche nach Erscheinen der chinesischen Leihräder in der Stadt: "Zürich nervt sich über den Veloverleih".

Dass hinter dieser Praxis offenbar Methode steckt, verneinen manche Anbieter noch nicht einmal. So äußerte sich Sis Timberg, die den Anbieter "oBike" (Hauptsitz in Singapur) in Deutschland vertritt, zuletzt in der "Zeit", dass man die Menge der Fahrräder schnell skalieren könnte. Für München seien zunächst einmal 350 Räder geplant, dann jeden Tag mehr.

Die Anbieter aus Fernost verfolgen laut der "Zeit" allerdings noch ein anderes Ziel, als möglichen Nutzern ihre Räder anzubieten: den Verkauf von Kundendaten. Der Stadt München sollen derartige Datensätze bereits angepriesen worden sein. Damit könnte detailliert aufgezeigt werden, an welchen Stellen beispielsweise neue Radwege nötig seien, so die Argumentation der Leihrad-Anbieter.

Düsseldorf will Leihfahrrad-Situation beobachten

Die Stadt Düsseldorf will nach Berichten der Rheinischen Post die Entwicklung in anderen Städten daher genau beobachten, bevor man sich auf das chinesische Angebot einlässt. Es sei sicherlich nicht im Sinne der Stadt, wenn der ohnehin knappe Verkehrsraum fern des Bedarfs mit solchen Fahrrädern zugestellt werde. Gegebenenfalls werde man die Praktiken der Anbieter bewerten und bei Rechtsverstößen entsprechend sanktionieren.

Dass die neuen Anbieter aus Fernost überhaupt nach Belieben in den deutschen Markt drängen können, ist auf ein Gerichtsurteil aus dem Jahr 2009 zurückzuführen. Damals war es den Städten per Ausschreibung noch selbst überlassen, welchem Anbieter sie das Aufstellen von Leihrädern erlaubten. In Hamburg setzte sich die Deutsche Bahn durch, "nextbike" stellte seine Räder trotzdem dort auf. Die Stadt Hamburg klagte - und verlor. Auf dieses Urteil berufen sich nun die chinesischen Anbieter, wenn sie ihre Räder ohne Absprachen in den Straßen abladen.

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