Kommentar Beruf als Berufung

Manchmal ist der Beruf Berufung. Bei DRK-Rettungsassistent Lutz Sengewald ist das so. Rund 25.000 Einsätze hat er bisher auf seinem Rettungswagen absolviert, etwa fünf am Tag. Menschen in Not und ihre Rettung sind quasi sein Metier. Unzählige Male war er als Ersthelfer an einem Unfallort.

Man möchte nicht wissen, welch schlimme Verletzungen Sengewald dabei alles zu sehen bekommen hat. Wie damals in Remagen, als ein betrunkener Autofahrer in eine Pilgergruppe rast, vier Menschen an der Schwarzen Madonna getötet und 16 verletzt werden.

Ein Jahr später sterben zwei junge Frauen vor der Kühlerhaube seines Rettungsfahrzeuges, nachdem sie in der Nacht betrunken über die Straße gelaufen sind und von dem sich mit Blaulicht und Martinshorn nähernden Wagen erfasst werden, der gerade mit Sengewald unterwegs ist, um woanders Menschenleben zu retten.

Während andere in ihrem Berufsleben hinter Schreibtischen sitzen oder an Werkbänken stehen, hat der Beruf des Rettungsassistenten etwas höchst Ungemütliches an sich. Es sind gerade die Ersthelfer an Unfallorten, die enormen psychischen Belastungen ausgesetzt sind, die ungeschulte Menschen sofort aus dem Gleichgewicht bringen würden. Sengewald betreibt aktive Stressbewältigung, wie er selbst sagt. Er streift das Erlebte ab, indem er darüber redet. Monatelang, jahrelang. Und es so dann doch nicht vergisst, aber offenkundig verarbeitet.

Es ist gut und beruhigend zu wissen, dass es Menschen wie Lutz Sengewald gibt, die stabil und robust genug sind, mit kühlem Kopf und medizinischem Know-how humanitäre und lebensrettende Hilfe zu leisten.

Als Rettungsassistent weiß er nie, was ihn beim nächsten Unfall erwartet. Vielleicht ist das auch gut so. So wie vor 20 Jahren in Remagen.

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