Bahn behindert

Kommentar

Das Unternehmen Zukunft, wie die Bahn sich gern selbst nennt, hat mindestens einen Halt in der Gegenwart vergessen. Für gewöhnlich werden Dienstleistungen wie etwa der Personennahverkehr behindertengerecht angeboten. Davon aber kann am Siegburger ICE-Bahnhof derzeit keine Rede sein. Seit Wochen beschweren sich Rollstuhlfahrer über fehlende Wege - auch nach dem Richtfest am Donnerstag noch, bei dem Festredner architektonische Glanzleistungen, Visionen und Fortschritt priesen.

Passiert ist an der Baustelle nichts. Als sich die geladenen Gäste gegenseitig auf die Schultern klopften, ließ sich ein halbseitig gelähmter Mann von einem Bahnkunden den Rollstuhl eine Rampe hinuntertragen. Er selbst schleppte sich am Geländer mühsam Stufe um Stufe zur Stadtbahn hinunter. Behinderte, zumal im Rollstuhl, nimmt der Bahnhof die ohnehin eingeschränkte Bewegungsfreiheit.

Pünktlich zum Richtfest - und drei Tage vor der Bundestagswahl - wäre der richtige Zeitpunkt gewesen, um im Dauer-Provisorium behindertenfreundliche Lösungen zu präsentieren: etwa einen Transporter, der Rollstuhlfahrer im Pendelverkehr vom Hinter- zum Vordereingang fährt, eine neue flache Rampe oder einfach nur ein paar Bretter, die Menschen mit Handicap den Weg zu ebnen.

Auf den Tischen, an denen die Richtfest-Gäste Sektgläser und Teller mit Leckerem vom warmen Buffet abstellen konnten, standen aufwändige Wimpel mit einer Ansicht des fertigen Bahnhofs. Das Geld hätte die Bahn sich sparen und stattdessen Hinweistafeln drucken können, auf denen Behinderte lesen können, dass nur Umwege aus der Baustelle führen. Die Zukunft fängt mit Service an, da wird die Bahn doch keine Schwellenängste haben.

[ Zum Bericht ]

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort