Bärbel Dieckmann: Manches geht mir zu langsam

Die Bonner Oberbürgermeisterin äußert sich zur Finanzsituation, zum Kongresszentrum und Bahnhofsvorplatz, zum Verhältnis zur Universität und zur regionalen Zusammenarbeit

  Bärbel Dieckmann:  "Zwischen Universität und uns gibt es grundsätzlich ein gutes Verhältnis. Die Hofgartenwiese ist gelegentlich ein Konfliktpunkt."

Bärbel Dieckmann: "Zwischen Universität und uns gibt es grundsätzlich ein gutes Verhältnis. Die Hofgartenwiese ist gelegentlich ein Konfliktpunkt."

Foto: Frommann

Bonn. Mit Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann sprach Bernd Leyendecker.

General-Anzeiger: Seit der Kommunalwahl am 26. September 2004 gibt es im Stadtrat keine stabile Mehrheit mehr; das Zweckbündnis SPD, Grüne und Bürgerbund ist instabil. Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit als Verwaltungschefin aus?

Bärbel Dieckmann: Das Bündnis ist nicht instabil; es hat immerhin den Haushalt 2005 verabschiedet. Seine Mehrheit ist aber sehr knapp. Daher ist es nötig, bei den großen Themen wie Kongresszentrum, Bahnhofsvorplatz, Zukunft der Stadtwerke, Sanierung des Haushaltes oder Gestaltung Bonns als kinderfreundliche Stadt eine breite Mehrheit zu organisieren. Darum bemühe ich mich.

GA: Nach der Wahl hatten Sie gesagt, es werde "keine Blockadepolitik" mehr geben. Haben Sie sich getäuscht?

Dieckmann: Meine Hoffnung, dass der Rat mit wechselnden Mehrheiten projektorientiert arbeiten werde, hat sich nicht erfüllt. Da habe ich mich geirrt.

GA: Woran liegt das?

Dieckmann: Die Fraktionen müssen wohl noch ihre Rollen finden. Es gibt noch nicht immer die Bereitschaft, Kompromisse mit den anderen zu schließen. Ich rechne damit, dass dies bei den Beratungen über den Haushalt 2006 anders wird.

GA: Können Sie sich nach einer möglichen Bundestagswahl am 18. September eine Große Koalition in Bonn vorstellen?

Dieckmann: Nein, das ist kein Thema für mich. Das ist auch Sache der Fraktionen. Ich versuche aber, eine möglichst breite Mehrheit mit allen Fraktionen für den Haushalt 2006 zu erreichen.

GA: Ist das nicht illusorisch?

Dieckmann: Ich bin optimistisch. Die Fraktionsspitzen beraten seit einigen Monaten. Es gibt den ausgeprägten Willen, der Stadt einen Nothaushalt und damit die finanzpolitische Fremdbestimmung zu ersparen.

GA: Apropos Finanzen: Bonn ist quasi Pleite: Wo sehen Sie noch Einsparpotenziale?

Dieckmann: Die gibt es. Alles steht auf dem Prüfstand - mit Ausnahme aller Ausgaben, die für den Ausbau Bonns als kinder- und familienfreundliche Stadt gemacht werden müssen.

GA: Können Sie das Einsparpotenzial quantifizieren?

Dieckmann: Wir müssen bis 2010 das strukturelle Jahresdefizit von derzeit 85 Millionen Euro ausgleichen. Das ist nur eine Momentaufnahme. Die Beträge hängen von der Einnahmelage ab, vor allem von der Gewerbesteuer. Der Weg zum Ausgleich wird schwierig.

GA: Zum Internationalen Kongresszentrum Bundeshaus Bonn (IKBB): Um dieses Thema ist es auffallend ruhig geworden...

Dieckmann: Ich bin optimistisch, denn wir stehen mit einem Investor in sehr zielführenden Verhandlungen. Ich hoffe schon bald auf ein gutes Ergebnis.

GA: Und wenn die Verhandlungen scheitern sollten: War's das dann mit dem IKBB?

Dieckmann: Das Kongresszentrum muss realisiert werden, weil wir es dringend für die weitere Entwicklung der Internationalen Stadt Bonn brauchen. Das IKBB muss aber für die Stadt auch finanziell tragbar sein.

GA: Zum Bahnhofsvorplatz: Wann geht's denn mit der Umgestaltung los?

Dieckmann: Es gibt weiterhin Interessenten. Die Situation ist nach dem Nein des Rates zu den Plänen von Brune/Concepta schwieriger geworden. Das Vertrauen von Investoren in die Zuverlässigkeit von Ratsentscheidungen ist geringer geworden.

GA: Was halten Sie von der von CDU, Grünen und Bürgerbund beschlossenen Bürgerwerkstatt, in der nun ein Gestaltungs- und Nutzungskonzept für den Bahnhofsvorplatz entwickelt werden soll?

Dieckmann: Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern ist wichtig. Ich bin aber skeptisch, dass die Bürgerwerkstatt ein vermarktbares Ergebnis entwickeln wird. Alle guten Ideen sind aber willkommen.

GA: Nochmals, bitte: Wann wird gebaut?

Dieckmann: Ich möchte im nächsten Jahr wieder auf Investorensuche gehen können.

GA: Ihr Co-Dezernent Guido Kahlen wird zum 1. Dezember Schuldezernent in Köln. Nehmen Sie das zum Anlass für eine Neuorganisation Ihres Büros?

Dieckmann: Die Entscheidung darüber werde ich nach den Sommerferien treffen.

GA: Sozialdezernentin Ulrike Kretschmar ist seit mehreren Wochen krank: Welche Konsequenzen hat das für dieses Dezernat?

Dieckmann: Wir haben mit den Amtsleitern Hubert Zelmanski, Udo Stein und Dieter Liminski und mit Stadtdirektor Arno Hübner ein starkes Team, das die inhaltliche Arbeit hervorragend macht.

GA: Der Disput um die Freigabe der Hofgartenwiese für den Weltjugendtag hat einen Schatten über das Verhältnis zwischen Stadt und Uni gelegt...

Dieckmann: Die Universität ist nicht denkbar ohne die Stadt - und umgekehrt. Zwischen uns gibt es grundsätzlich ein gutes Verhältnis. Die Hofgartenwiese ist gelegentlich ein Konfliktpunkt. Mein Wunsch ist es, den Hofgarten in Ausnahmefällen, wozu der Weltjugendtag gehört, aber auch für große klassische Konzerte oder Veranstaltungen von ähnlicher Bedeutung zu öffnen.

GA: Ende 2004 ist der Ausgleichsvertrag ausgelaufen. Bonn startet jetzt in eine neue Ära - "und das schaffen wir", sagten Sie Ende 2004. Schaffen wir's?

Dieckmann: Wir stehen auf eigenen Füßen, und ein Stück Normalität ist eingetreten. Neu ist: Wir werden wie andere Städte ständig um unser eigenes Profil kämpfen müssen. Wir werden uns daran gewöhnen, dass auch einmal ein Unternehmen seinen Sitz aus Bonn verlagert oder Arbeitsplätze abbaut. Das war bei den Bundesorganen bis 1991 nicht der Fall. Aber wir haben ja erlebt, dass auch das möglich ist. Die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung in Bonn ist aber gut.

GA: Der Fortgang des Strukturwandels setzt auch eine gute Zusammenarbeit mit der Nachbarschaft voraus. Wie ist es darum bestellt?

Dieckmann: Die Zusammenarbeit mit der Region Köln-Bonn, vor allem mit dem Rhein-Sieg-Kreis, ist stabil und funktioniert. Wir könnten aber mehr tun in der Kultur, Verkehrsinfrastruktur, Wohnungsbau, Versorgung. Gespräche werden geführt, aber manches geht mir zu langsam. Positiv und beispielhaft ist die Kooperation mit Köln bei der Wirtschaftsförderung, bei großen Messen, in Fragen des Flughafens Köln/Bonn oder bei der Sparkassenfusion.

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