Ausverkauf der Sozialwohnungen befürchtet

Politik muss Bedingungen für den Verkauf der städtischen Wohnungen an einen Investor festklopfen - Vorschlag: Stadt Bonn soll künftig nur noch 300 Wohnungen belegen

Bonn. Die Wartelisten für eine bezahlbare Wohnung könnten bald noch länger werden. Als der Rat im vergangenen Jahr den Verkauf der städtischen Wohnungen beschloss, war ausdrücklich vom "sozialpolitischen Versorgungsauftrag der Stadt" die Rede.

Für einen Teil der verkauften Wohnungen sollte die Stadt das Besetzungsrecht erhalten, was heißt: Sie kann die Wohnungen an Menschen vergeben, die auf dem freien Wohnungsmarkt keine Chance haben. War noch im August 2000 vom überwiegenden Teil der Wohnungen die Rede, sind davon nach einer aktuellen Verwaltungsvorlage gerade noch 300 übrig.

Das Thema Wohnungsverkauf steht am 5. Dezember auf der Tagesordnung des Sozialausschusses. Der Punkt "Konkretisierung der Sozialbindung" liest sich bei genauem Hinsehen eher wie ein Zugeständnis an potenzielle Käufer. Nachdem der Verkauf an die Vebowag geplatzt war, hatte die Stadt ein Bankhaus mit der Investorensuche beauftragt. Für die Verhandlungen mit Interessenten muss die Politik nun konkrete Bedingungen formulieren.

Der unter Federführung des Liegenschaftsamtes erarbeitete Beschlussvorschlag sieht folgendes vor: Bei 1 250 der 2 500 zum Verkauf stehenden Wohnungen behält die Stadt ein grundsätzliches Besetzungsrecht. Das heißt aber nicht, dass sie für alle 1 250 Mieter benennen darf. Der große Topf garantiert eine Auswahl von Wohnungen und soll die Bildung von Ghettos verhindern. Belegen darf die Stadt schließlich nur 300 Wohnungen.

Die ausgewählten Häuser liegen vor allem in sozialen Brennpunkten wie Tannenbusch, Dransdorf und dem Bonner Norden. Viele Häuser sind nicht saniert, manche verfügen noch über Ofenheizungen. Da hier ohnehin keine üppigen Mieten zu erwarten sind, wird es einem Investor möglicherweise leichter fallen, das Mitspracherecht der Stadt zu akzeptieren. Eine Vereinbarung mit dem künftigen Eigentümer soll laut Verwaltungsvorschlag für zehn Jahre gelten.

Bei den Maßgaben für den Wohnungsverkauf müssen die Kommunalpolitiker nun wirtschaftliche Ziele - der Erlös soll das Haushaltsloch stopfen - und soziale Belange abwägen. Laut Verwaltung stellt der aktuelle Vorschlag eine "vertretbare Vorgabe aus Sicht eines Käufers" dar. Eine ganz andere Sicht vertritt Bernhard von Grünberg, Vorsitzender des Mietervereins Bonn/Rhein-Sieg und SPD-Sozialexperte: "Was da vorgeschlagen wird, ist eine absolute Katastrophe."

Nach seiner Auskunft ist Bonn ohnehin schon Schlusslicht in NRW, wenn es um die Zahl der zur Verfügung stehenden Sozialwohnungen im Verhältnis zur Einwohnerzahl geht. Grünberg befürchtet, Bonn steuere auf eine neue Wohnungsnot zu, und hält die aktuellen Vorschläge für unverantwortlich. Fraglich ist auch, ob die Rechnung langfristig aufgeht. Wohnungen mit Sozialbindung bringen einen geringeren Verkaufserlös.

Nach zehn Jahren ist das Belegungsrecht der Stadt jedoch abgelaufen. Der Eigentümer kann die Wohnungen weiterverkaufen oder sanieren, um damit ihren Wert zu steigern. Sollte die Stadt die Wohnungen weiter benötigen, um ihren sozialpolitischen Versorgungsauftrag zu erfüllen, kann der neue Eigentümer den Preis dafür festlegen.

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