Redensarten des Rheinlandes Auf der Suche nach dem Glück

Die General-Anzeiger-Kolumnen „Rheinische Redensarten“ sind jetzt als Buch zu haben – inklusive origineller Illustrationen.

Die rheinischen Redensarten enthalten viel Alltagsweisheit und Gemütstiefe. Leider verschwinden sie mehr und mehr aus der Öffentlichkeit. Deshalb setzt der General-Anzeiger einiges daran, sie zu erhalten und wieder ins Bewusstsein zu rücken. Dafür haben wir uns mit Unterstützung von Dialektsachverständigen auf die Spur der Redensarten begeben und dabei Herkunft, Bedeutung und Anwendung der überlieferten Sinnsprüche erforscht. Immer samstags stellt GA-Redakteur Jörg Manhold die Ergebnisse in munteren Zeitungskolumnen vor, in denen auch eingefleischte Rheinländer noch neue Zusammenhänge entdecken können.

Jetzt sind die Kolumnen erstmals in Buchform zu haben und zusätzlich mit amüsanten Karikaturen gespickt. Herausgekommen ist ein alltagstauglicher rheinischer Glücksratgeber. Denn im Dialog mit Mundartsprechern und Sprachwissenschaftlern ist eines ganz klar geworden: Wenn man die Kernaussagen rheinischer Redensarten sammelt, dann ist das ein Stück Lebenshilfe pur. Tatsächlich scheint es momentan kaum ein wichtigeres Thema für die Menschen zu geben als das Glück. Dabei ist die Suche nach dem Glück gar nicht so neu. Schon Seneca hat in der römischen Antike in seinen Briefen handfeste Anleitungen zum Glück gegeben.

Wer sich mit den rheinischen Redensarten beschäftigt, der stellt schnell fest, dass die Weisheiten des Dialekts genau das Gleiche bewirken. Im Kern sind es alles Sinnsprüche, die den Adressaten daran erinnern, wie man sich im Leben verhalten sollte. Da geht es um Fleiß, Bescheidenheit und Freundschaft, um Aufrichtigkeit und Verlässlichkeit – alles Varianten der Kardinaltugenden. Und es sind pointierte Zusammenfassungen dessen, was demjenigen blüht, der all‘ die Lebenstipps und Weltweisheiten nicht beherzigt.

Im Kern geht es also immer um die Faktoren eines glücklichen Lebens. Für denjenigen, der sich mit der rheinischen Sprache und Mentalität auskennt, ist das kein überraschender Befund. Denn die Alltagsweisheit und der Sprachwitz des Rheinländers haben schon oft philosophische und ethisch-moralische Lehrsätze vorweggenommen, noch bevor sie ein berühmter Denker in Stein gemeißelt hat.

Ob es darum geht, dass „alte Ziegen auch noch gerne Salz lecken“, also Spaß an der Sinnlichkeit haben, oder ob man „jemanden erst beim Teilen richtig kennenlernt“, hier werden große Erkenntnisse in kleine sprachliche Miniaturen verpackt. Und während Schimpftiraden im Hochdeutschen eher brüsk und verletzend klingen, kann man im rheinischen Dialekt schön nach Herzenslust schimpfen, und es klingt immer nach einer Liebkosung. Es ist stets ein Augenzwinkern dabei. Das verleiht dem Rheinischen durchaus ein Alleinstellungsmerkmal, das so schnell woanders nicht zu finden ist und das der Realität ihre Schärfe nimmt. Vielleicht ist das der Grund, warum man den Rheinländern eine große Toleranz in Verbindung mit viel Humor nachsagt. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass etliche Redensarten auch in den überregionalen Gebrauch eingewandert ist. Und das hat nicht nur mit der Universalisierung des karnevalistisch-kölschen Liedguts bis hinauf in die Après-Ski-Hütten der Alpen zu tun. Dort singen Hamburger, Mainzer und Münchner gemeinsam „Da simmer dabei, dat is prima“ und wissen genau, was gemeint ist.

Das Wort i-Dötzchen etwa entstammt dem rheinischen Sprachgebrauch und ist in den allgemeinen deutschen Sprachschatz aufgenommen. Auch der gute Rat an die Tochter des Hauses „mach ken Fisematenten“ ist weiter verbreitet als man meinen möchte. Einen hochkulturellen, literarischen Bezug hat der rheinische Satz: „Leck misch en d'r Täsch“. Er ist eine abgeschwächte Variante des Satzes, den Götz von Berlichingen im gleichnamigen Goethe-Drama formuliert: „Leck mich im A......“. Diese Formulierung wird anderwärts auch als „Schwäbischer Gruß“ bezeichnet. Und so stehen die Regionen unseres Landes ganz offensichtlich in regem Austausch miteinander. Dann gibt es wiederum Ausdrücke, von denen man sagen muss: Su jet jitt et nur em Rheinland. Zum Beispiel der äußerst hintersinnige Satz „Lück sin och Minsche“. Oder die schöne Formulierung: „Jöck es schlemme wie Ping“. Da muss man erst einmal intensiv nachdenken und gegebenenfalls guten Rat einholen. Aber wie auch immer man mit den rheinischen Redewendungen umgeht und wie intensiv man sie im Alltag einsetzt, sie transportieren immer einen liebenswerten Gleichmut nach dem Motto „Me muss och jönne künne“ (Man muss auch gönnen können). Und das ist sicher ein guter Rat für alle denkbaren Lebenslagen.

Bleibt als Fazit: Manche Dinge lassen sich so nur im Rheinischen ausdrücken. Und es bleibt spannend für Alteingesessene und Zugezogene, sich mit dieser Sprache vertraut zu machen. ⋌

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort