Acht Jahre Haft für Ministersohn und Cousin

Gewaltwochenende in Siegburg kostete drei Menschen fast das Leben: Ein Skinhead wurde halbtot geprügelt, am nächsten Abend wurden zwei Sicherheitsleute auf einer Abiturfeier niedergestochen

Siegburg/Bonn. Angespannt warten der frühere afghanische Minister und seine Frau im Zuschauerraum auf das Urteil, das die 4. Bonner Strafkammer gegen ihren 20-jährigen Sohn und ihren Neffen sprechen wird.

Und als sie es hören, bricht die Mutter schluchzend zusammen: Acht Jahre Jugendstrafe verhängt das Gericht gegen ihren 20-jährigen Sohn und seinen gleichaltrigen Vetter, die am Wochenende 15./16. Juni 2001 in Siegburg fast drei Menschen töteten.

Der Ministersohn wird des versuchten Totschlags in drei Fällen, sein gleichaltrige Vetter des zweifachen Totschlagsversuchs, und beide der mehrfachen gefährlichen Körperverletzung für schuldig befunden. Der Ministersohn muss außerdem in eine Entziehungsanstalt.

Während ihre weiblichen Angehörigen fassungslos weinen, sitzen die beiden jungen Männer äußerlich ungerührt oder grinsend auf der Anklagebank.

Beide schafften es nicht, in Deutschland Fuß zu fassen, nachdem ihre Familien nach der Machtübernahme durch die Taliban in Afghanistan fliehen mussten, schildert Kammervorsitzender den schwierigen Lebensweg der beiden. Als Ministersohn mit den entsprechenden Privilegien aufgewachsen hatte der 20-jährige M. große Probleme mit dem neuen Leben in Siegburg.

Über Russland war er mit der Mutter und den Geschwistern Anfang der 90er hier gelandet - und hatte an der neuen Schule keine Anerkennung gefunden. Erst als er mit Gewalttätigkeiten auf sich aufmerksam machte, zollten ihm die Mitschüler Respekt. Sein Vater, der erst eineinhalb Jahre später nachkam, weil die Taliban ihn gefangen gehalten hatten, bemühte sich, dem Sohn Halt zu geben.

Den fand der dann bei seiner festen Freundin - und verlor ihn wieder, als die junge Frau schwer verunglückte und seitdem querschnittgelähmt ist. M. trank ständig, nahm Drogen und zog mit Kumpels durch Kneipen und Discos. Auch am Abend des 15. Juni 2001 zogen sie durch Siegburg.

Alle hatten reichlich getrunken, als sie drei Skinheads begegneten und einen von ihnen fast totschlugen. Und als der Skinhead bewusstlos am Boden lag und alle anderen sich abgewandt hatten, da nahm der 20-jährige M. noch einmal einen Baumpfahl und stach damit auf den Kopf des Opfers ein, das wochenlang in Lebensgefahr schwebte. Die anderen aus der Gruppe wurden für diese Tat vor zwei Wochen verurteilt.

Der Ministersohn aber ging am nächsten Abend mit seinem Vetter, dessen Leben ähnlich verlaufen war wie seins, auf eine Abiturfeier. Und als er wegen seiner Aggressivität von einem privaten Wachmann vor die Tür gesetzt wurde, kam er mit dem Vetter zurück, um sich zu rächen.

Gemeinsam stürzten sie sich auf den Wachmann: M. schlug, sein Vetter stach mit dem Messer neunmal zu. Ein zweiter Wachmann erhielt einen Stich in die Brust, ein weiterer Helfer verlor seine Zähne.

Dieses erschreckende Ausmaß an Aggressivität erklärte der psychiatrische Gutachter einerseits mit der Enthemmung durch Alkohol und dadurch, dass beide Angeklagte sogenannte Borderline-Persönlichkeiten mit schweren Störungen seien. Für die Kammer steht am Ende fest: "Die beiden haben Menschen ganz nah an den Tod gebracht."

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