Überprüfung bei Shell 165 Seiten für mehr Sicherheit

Köln · Gutachter kritisieren die mangelnde Überwachungstechnik der Raffinerie im Fall des Kerosinlecks. Das Godorfer Unternehmen will aber aus den Vorfällen lernen.

"Greif zu!" appelliert ein Aufkleber am Treppengeländer, und eine freundliche Dame auf dem Gelände des "Safety Centers" der Shell Rheinland Raffinerie in Köln-Godorf weist die Besucher noch zusätzlich darauf hin, doch bitte den Handlauf beim Aufstieg zu benutzen. Das Thema Sicherheit steht heute im Fokus: Nach einer fast einjährigen Untersuchung, in der ein Gutachterteam mehrere Tausend Seiten Unterlagen gewälzt, 20 Fachvorträge gehört, die Betriebsanlagen besichtigt und mehr als 100 Interviews mit Mitarbeitern, Vertretern von Behörden und Kommunen, Feuerwehren, Nachbarn und Mitgliedern von Umweltschutzorganisationen geführt hat, wurden gestern die Ergebnisse des 165 Seiten umfassenden Berichts vorgestellt.

An dem haben im Auftrag von Umweltministerium und Bezirksregierung Köln Fachleute des Öko-Instituts Darmstadt sowie der auf Sicherheitstechnik in der Industrie spezialisierten Beratungsgesellschaft DNV GL mitgearbeitet und mehrere Mängel im Sicherheitsmanagement festgestellt. Grund für die umfangreiche externe Überprüfung war die Häufung von Zwischenfällen zwischen 2012 und 2014 (siehe unten), bei denen vor allem die Bildung eines unterirdischen "Kerosinsees" für öffentliches Aufsehen und massive Kritik gesorgt hatte. Über vier Wochen waren durch ein nur wenige Millimeter großes Leck in einer unterirdischen Rohrleitung im Februar 2012 rund eine Million Liter Kerosin unbemerkt ins Erdreich und Grundwasser ausgelaufen. Die Sanierung des entstandenen rund 42 000 Quadratmeter großen "Kerosinsees" in sieben Metern Tiefe könne noch mehr als zehn Jahre dauern, sagte NRW-Umweltminister Johannes Remmel gestern in Düsseldorf. Shell rechnet mit zweistelligen Millionenkosten. Hinzu kommt ein gerichtlich verhängtes Bußgeld - laut Staatsanwaltschaft 1,8 Millionen Euro -, und auch die Kosten für das Gutachten muss das Unternehmen tragen.

Die Häufung der Ereignisse sei für Shell "ungewöhnlich und nicht akzeptabel" gewesen, sagte der ehemalige Raffinerie-Direktor Bram Steenks. "Die Bürger erwarten zu Recht, dass wir unsere Raffinerie sicher betreiben, und das ist uns nicht ausreichend gelungen."

Empfehlungen für ShellWie Thomas Zengerly, seit Anfang April Steenks' Nachfolger, ausführte, seien seit der Kerosinleckage vor drei Jahren 285 000 Liter des Stoffs, also gut ein Viertel, mittels Brunnen abgepumpt worden. Man liege im Zeitplan des mit den zuständigen Behörden abgestimmten Sanierungsprogramms. In Kürze beginne die zweite Phase, in der das Kerosin auf mikrobiologischem Weg, indem Luft in den Boden eingepumpt werde, abgebaut werden solle.

Im "Rheinland Programm Rohrleitungen" überprüfe Shell zudem seit Oktober 2013 bis ins Jahr 2018 systematisch alle 17 000 Leitungen, die wassergefährdende Stoffe transportieren, und wolle auftretende Mängel beseitigen. Der oberirdische Neubau der Nordtrasse, auf der es zu dem folgenschweren Leck gekommen war, sei in Planung. Und auch mit dem vor knapp einem Jahr eröffneten Sicherheitscenter habe das Unternehmen auf die Vorfälle reagiert. Die erfolgte Untersuchung begreife Shell als Chance: "Wir wollen nicht nur Deutschlands größte Raffinerie, sondern auch die sicherste sein", so Zengerly.

Zwischenfälle bei der Rheinland Raffinerie seit 2012Das Gutachterteam lobte die bereits ergriffenen Maßnahmen. Wie Teamleiter, Unternehmensberater Christian Jochum, klarstellte, sei aber trotz gründlicher Sicherheitsmaßnahmen "nicht auszuschließen, dass es wieder zu Ereignissen kommt", das sei in der Branche unrealistisch. "Aber ich bin überzeugt, dass die Wahrscheinlichkeit einer Häufung von Ereignissen deutlich niedriger ist", so Jochum. Die Konsequenz, die er aus der Kerosinleckage zieht, ist ebenfalls deutlich: "Hätte man bessere Überwachungstechnik eingesetzt, wäre der Vorfall weniger dramatisch ausgefallen."

Minister Remmel würdigte die Anstrengungen des Ölkonzerns bei der Abstellung der Mängel. Als Konsequenz aus den Vorfällen drängte er darauf, für alle alten Anlagen der Industrie eine Überprüfung anzuordnen. Nur so könnten Mensch und Umwelt nachhaltig geschützt werden.

Das Gutachten ist auf der Internetseite des Ministeriums unter www.umwelt.nrw.de einsehbar.

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