Schau "Dessous" im LVR-Industriemuseum bis 25. Oktober 150 Jahre Kulturgeschichte der Unterwäsche

ENGELSKIRCHEN · Das LVR-Industriemuseum in Engelskirchen lässt die Hüllen fallen. Mit mehr als 250 Exponaten dokumentiert die Schau "Dessous" 150 Jahre Kulturgeschichte der Unterwäsche. Ein ebenso reizvolles wie delikates Thema.

 Blick auf die Unterbekleidung um 1900: Rüschen, Spitzen und Tournüre. In festgelegter, logischer Abfolge zog die bürgerliche Frau in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nacheinander an: Unterhose, damals noch "Unaussprechliche" genannt, Strümpfe, die von einem Strumpfband gehalten wurden, wadenlanges Hemd, Korsett, in das man sie für die begehrenswerte schlanke Taille einschnürte, eine Untertaille, um Korsett und Oberbekleidung zu schonen, und einen Anstandsunterrock, darüber je nach Mode Krinoline, Tournüre oder Cul de Paris und zum Abschluss rundeten wenigstens zwei oder mehr Unterröcke das Untenrum ab.

Blick auf die Unterbekleidung um 1900: Rüschen, Spitzen und Tournüre. In festgelegter, logischer Abfolge zog die bürgerliche Frau in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nacheinander an: Unterhose, damals noch "Unaussprechliche" genannt, Strümpfe, die von einem Strumpfband gehalten wurden, wadenlanges Hemd, Korsett, in das man sie für die begehrenswerte schlanke Taille einschnürte, eine Untertaille, um Korsett und Oberbekleidung zu schonen, und einen Anstandsunterrock, darüber je nach Mode Krinoline, Tournüre oder Cul de Paris und zum Abschluss rundeten wenigstens zwei oder mehr Unterröcke das Untenrum ab.

Foto: LVR-Industriemuseum

Sind Körbchen, die die Brüste spitz wie Tüten formen, erotisch? Wirken Männer in Stringtangas anziehend oder albern? Und gehört Nylonunterwäsche, aus Gründen der Hygiene, eigentlich verboten? An Fragen wie diesen schieden sich schon im Vorfeld die Geister.

"Bei der Konzeption haben wir festgestellt, dass es keine einhellige Meinung darüber gibt, wie ein Stück zu beurteilen ist", sagt Kuratorin Claudia Gottfried. "Anders als bei Oberbekleidung gibt es für Unterwäsche keinen klaren Dresscode, viele Vorlieben zeigen sich nur im Geheimen. Und genau da haben wir angesetzt."

Das LVR-Industriemuseum in Engelskirchen lässt die Hüllen fallen. Mit über 250 Exponaten dokumentiert die Schau "Dessous" 150 Jahre Kulturgeschichte der Unterwäsche. Ein ebenso reizvolles wie delikates Thema. Beleuchtet wird das, was man drunter trägt, aus diversen Blickwinkeln.

Angefangen mit einem "Kleinen Parforceritt durch die Geschichte der Wäsche" (Gottfried). Er beginnt mit einem zierlichen, mit Blümchen bestickten Baumwollkorsett von 1810, dem ältesten Stück der Ausstellung: "Absolut rar, und auch sehr verblüffend, wenn man bedenkt, dass man das Empire immer mit locker geschnittenen, weich fallenden Kleidern assoziiert." Über ausladende Krinolinen, schaumige Unterröcke in mehreren Schichten und Aussteuerstücke aus der Zeit der Jahrhundertwende geht es zu Kunstseidenem aus den 1920ern und knielangen Perlon-Unterkleidern der 1950er.

[fotos]Auf BH-Modelle, die nur Schwestern von Twiggy tragen konnten, folgen Flower-Power-Frottee-Kreationen in knalligen Farben und pastellene Push-ups in Mikrofaser-Optik: "Die Geschichte der Wäsche ist eine Geschichte der Minimalisierung."

150 Jahre Kulturgeschichte der Dessous
9 Bilder

150 Jahre Kulturgeschichte der Dessous

9 Bilder

Verkäuferinnen eines einst renommierten, seit 2006 geschlossenen Modegeschäfts in Bonn unterliegen dem Schweigegelübde, was die Problemzonen der Politikergattinnen angeht. Die Intimsphäre bleibt so gewahrt. Doch was sieht man von außen - und was darf gesehen werden? So lautet eine andere Fragestellung der Ausstellung. Und erspäht die Boxershorts, die zu Anfang des Millenniums aus den "Hängehosen" der Skater lugen, um damit den Look amerikanischer Gefängnisinsassen zu imitieren, die unfreiwillig ohne Gürtel auskommen mussten.

Andere hingegen wurden tüchtig eingeschnürt. In den 1890ern galt eine Frauentaille mit einem Umfang von 46 Zentimetern als ideal, noch 1949/50 waren gerade mal 50 Zentimeter akzeptabel. Wer heute Konfektionsgröße 36 trägt, darf ruhigen Gewissens 70 Zentimeter auf dem Maßband verzeichnen.

Wie sehen sich Frauen selbst? Wie werden sie von Männern (gern) gesehen? Dabei stößt man auf erotische Wunschvorstellungen wie die edle Kurtisane, den verruchten Vamp und das verspielte Sexkätzchen, aber auch auf Karrierefrauen, die sich nicht länger erobern lassen wollen, sondern lieber selbst auf Beutefang ausziehen. "Basic Instinct" lässt grüßen.

Jeder verschiedene Aspekt - historisch, medizinisch oder erotisch - ist mit einer anderen Farbe gekennzeichnet. Die verliert man aber schnell aus dem Blick, weil das, was man in der Schau entdecken kann, viel zu breit gefächert und zu faszinierend ist.

Der üppig gerüschte, nicht umsonst "Straßenfeger" genannte Schleppunterrock mit Korsettschoner ist genauso ein Hingucker wie der Body im Leopardenlook von 2006. "Da fragen nur bestimmte Männer nach", wird eine Verkäuferin zitiert. Man ahnt, was sie damit sagen will.

Vor manchem, wie dem kratzigen, selbst gestrickten Wollschlüpfer in Hellblau aus den 1950ern, dem Nierenwärmer aus Katzenfell oder den Boxershorts mit Garfield-Motiv kann man sich grausen, anderes, wie Taschen und Kästchen zur Aufbewahrung von seidenen Strümpfen, hat seinen Zweck längst überlebt. Darüber, warum das seriöse, dunkelblaue Unterhosenmodell "Thomas" besonders von FDP-Wählern über 40 geschätzt wird, könnte man lange grübeln.

Sehr einleuchtend hingegen klingt, was die Baronin d'Orchamps 1902 über "Die Geheimnisse der Frau" verriet: "Nichts gleicht dem reizenden Eindruck dieser leuchtenden, raschelnden, spitzenbesetzten Dinge." Die Rede ist, natürlich, von Dessous. Die aber nur bedingt helfen können, wenn die Zeit ihren Tribut fordert. "Männer dürfen älter werden, Frauen nicht", befand Kosmetikfirmeninhaberin Helena Rubinstein 1956. Was sich, aus heutiger Sicht, eher wie ein Protest anhört.

Fast 90 Prozent der Ausstellungsstücke, darunter martialische Hüftgürtel, hauchzarte Hemdchen und aufknöpfbare Hosen, Werbefotos aus dem "Sixpack-Himmel", "Beyers großes Lehrbuch der Wäsche" (1922) oder vergilbte Pappschachteln mit "Hoffmann's Wäscheweiß", stammen aus den Beständen des LVR.

Inszenierungen wie die eines Waschtags, bei dem die Handtücher und die Bettbezüge auf der Leine diskret das bedecken, was unter der Kleidung direkt auf der Haut getragen wird oder das liebevoll wieder mit Dessous bestückte Inventar des Bonner Ladens aus den 1950ern machen die Schau auf über 500 Quadratmetern noch ansprechender.

Infos

Die Ausstellung "Dessous" im LVR-Industriemuseum, Kraftwerk Ermen & Engels, Engels-Platz 2, 51766 Engelskirchen, ist letztmalig zu sehen und bis 25. Oktober 2015 geöffnet.

Öffnungszeiten: dienstags bis freitags 10 bis 17 Uhr, samstags und sonntags 11 bis 18 Uhr.

Eintrittspreise: 4 Euro, ermäßigt 3 Euro, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre haben im LVR-Industriemuseum freien Eintritt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort