Ende der Katalogwand - Design von Reisebüros verändert sich

Berlin · Graue Loungesessel, eine riesige Glasfront, ein großer Touchpad-Tisch: Auf den ersten Blick erinnert in den Räumen am Gendarmenmarkt in Berlin wenig an ein Reisebüro. Etwas versteckt sind Reisekataloge zu sehen. In etwa so wie hier stellt sich Tui Deutschland das Reisebüro der Zukunft vor.

 Den klassischen Counter wird es auch in den neu gestalteten DER-Reisebüros noch geben. Foto: DER Touristik GmbH

Den klassischen Counter wird es auch in den neu gestalteten DER-Reisebüros noch geben. Foto: DER Touristik GmbH

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Gerade werden Büros in der ganzen Republik umgebaut. Auch DER Touristik schickt die Handwerker los, Thomas Cook hat ebenfalls Veränderungen angekündigt. "Das klassische Reisebüro gefällt vielen nicht mehr", sagt die Leiterin des Tui-Flaggship-Stores, Beate Arnold. "Das bietet oft nicht die ideale Atmosphäre, um über Urlaub zu sprechen. Da gibt es wenig Inspiration, die Einrichtung erinnert manchmal an die einer Behörde." Neben Berlin sind schon gut ein Dutzend Tui-Standorte umgebaut, weitere folgen. Neu sind verschiedene Zonen: Da gibt es eine Leseecke mit Loungesesseln. Dort liegen Bücher bereit, in denen sich die Kunden Inspiration holen sollen. Die Bar ist für die eiligen Besucher gedacht, die nur mal eben was vorbeibringen oder eine kurze Frage klären wollen. Im hinteren Bereich gibt es Tische, an denen intensivere Gespräche geführt werden. Das Design soll eine Wohlfühlatmosphäre ausstrahlen.

Von Wohlfühlatmosphäre spricht auch Andreas Heimann, Geschäftsführer DER Reisebüro, wenn man sich mit ihm über das Reisebüro der Zukunft unterhält - das in Wahrheit an vielen Orten schon Gegenwart ist. Von 500 DER-Reisebüros sind 250 bereits neu eingerichtet. Die Büros sehen sich sehr ähnlich: Loungecharakter, Wartebereiche mit Hochcountern. Statt Werbezetteln im Schaufenster Bildschirme, die am Tag auch ins Büro hinein gedreht werden können. Und auch hier: keine Katalogwände mehr. "Die haben wir komplett verbannt", sagt Heimann.

Und dass hinter der Umgestaltung auch handfeste wirtschaftliche Gründe stecken, ist kein Geheimnis. Die Reisebüros kämpfen seit Jahren mit der Konkurrenz vor allem aus dem Internet. In den umgestalteten Büros entwickeln sich die Umsätze offenbar besser.

Ein ganz besonderes Feature bietet Thomas Cook zunächst testweise in einigen Reisebüros. Mit Virtual-Reality-Datenbrillen sollen die Kunden Eindrücke aus Urlaubsregionen und Hotels erhalten. Zunächst gibt es vier virtuelle Reisen: durch New York, zum Sentido-Hotel auf Rhodos, durch das Sunconnect-Haus auf Zypern und in ein Hotel der Marke Smartline. Auch die Oberurseler wollen in den kommenden Jahren in den Büros mit den Handwerkern anrücken.

Im Sommer wird in Hamburg eine erste Filiale umgebaut, so Thomas Kloss, Leiter des Thomas-Cook-Eigenvertriebs. Bis 2016 folgen zehn weitere. Bereits von außen können sich Kunden jetzt auf Touchscreens informieren und vor allem Inspiration suchen. Buchen lässt sich durch das Schaufenster noch nicht, doch die Daten können in einer Art Warenkorb entweder an die eigene E-Mail-Adresse oder an den Berater im Büro geschickt werden.

Die Technik muss passen, doch fast genauso wichtig sind in den Augen der Konzernverantwortlichen die Mitarbeiter. Deshalb setzen alle Konzerne auf das Training der Mitarbeiter. "Früher war der Schreibtisch der Arbeitsplatz, heute ist das ganze Büro der Arbeitsplatz", sagt Kloss.

Grundsätzlich halten auch Experten wie Prof. Torsten Kirstges von der Jade Hochschule Wilhelmshaven die Neugestaltung der Reisebüros für sinnvoll. "Es gibt nach wie vor viele Büros mit einem sehr verstaubten Image. Pappaufsteller wirken im Zweifel eher billig als werbewirksam." Doch Kirstges hat auch Zweifel: "Die große Gefahr ist, dass die einzelnen Büros völlig austauschbar werden." Persönlichkeit oder Authentizität könnten verloren gehen. Auch dass es in den Reisebüros jetzt Leseecken gibt oder eine Bar, stellt Kirstges infrage: "Ist das der Mehrwert, den der Kunde im Reisebüro erwartet? Wer ins Reisebüro geht, ist sehr zielstrebig und erwartet eigentlich nur eine kompetente Problemlösung."

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