Schwerelos in der Unterwelt: Tauchen in deutschen Bergwerken

Porta Westfalica · Bei Tauchen denken die meisten an bunte Fische, Korallen und ein türkisfarbenes Meer. Doch auch unter Tage lässt sich ins Wasser steigen: Bergwerkstauchen ist ein ganz spezielles Erlebnis.

 Klar ist das Wasser im Bergwerk - doch die Düsternis der Höhle kann auch eine gewisse Enge erzeugen. Foto: Der Trevpunkt/ Patrick Döhler

Klar ist das Wasser im Bergwerk - doch die Düsternis der Höhle kann auch eine gewisse Enge erzeugen. Foto: Der Trevpunkt/ Patrick Döhler

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Schon der Weg zum Tauchplatz erinnert so gar nicht an Urlaubstauchen im Meer: Es ist dreckig, dunkel und laut. Über eine Strecke von rund 800 Metern rattert die Grubenbahn immer weiter in den Berg. Feucht-kalter Fahrtwind drückt ins Gesicht, die Tunnelwände rauschen vorbei. War das wirklich eine gute Idee, in einem Bergwerksstollen tauchen zu wollen?

Diese Frage erübrigt sich Minuten später: Wir stehen in der Kaverne, einem hallengroßen, schräg abfallenden Raum des Bergwerks. Den unteren Abschnitt hat das Grundwasser geflutet, nachdem die Pumpen abgeschaltet wurden. Im Licht der installierten Scheinwerfer leuchtet es - so türkis, so rein und intensiv, dass Zweifel wie Seifenblasen platzen. Welcher Taucher will da eigentlich nicht rein?

Der Blaue Lagune genannte Untertagesee im Besucherbergwerk Kleinenbremen bei Porta Westfalica ist eines der klarsten Tauchgewässer Deutschlands. Wenn wochenlang kein Flossenschlag Sediment aufgewirbelt hat, keine Luftblasen Partikel von der Decke gelöst haben und selbst kleinste Schwebeteilchen zu Boden gesunken sind, ist das Wasser rein wie Mineralwasser. "Weit über hundert Meter kann man dann schauen", sagt Tauchlehrer Trevor Barritt, der seit 2009 Tauchgruppen in den Bergwerksstollen führt.

Andere Taucher scheinen darin wie im Nichts zu schweben. Sie erinnern an Astronauten im All. Das Licht ihrer Handlampen durchschneidet die Dunkelheit messerscharf, bis es nach 10 oder 20 Metern auf die rostfarbenen Wände trifft.

Trotz dieser sensationellen Sichtweiten hat das Tauchen hier mit anfängerfreundlichem Tauchspaß nichts gemein: Die Temperatur des Wassers beträgt ganzjährig sieben bis acht Grad Celsius. "Wir achten sehr genau auf die Ausrüstung und den Ausbildungsstand der Taucher", sagt Trevor Barritt. Wer keine kaltwassertaugliche Ausrüstung besitzt und den Umgang mit einem Trockentauchanzug nicht sicher beherrscht, werde nicht zugelassen. Barrit verlangt auch, dass jeder Teilnehmer die Erfahrung von mindestens 50 Tauchgängen, eine ärztliche Bescheinigung und eine Tauchunfallversicherung vorweisen kann.

Eine Herausforderung anderer Art liegt darin, es überhaupt samt Tauchausrüstung bis hier unten zu schaffen: Weil nur einmal im Monat Taucher ins Bergwerk dürfen, ist die Warteliste lang. "Wer sich jetzt anmeldet, kann frühestens 2016 ins Wasser", sagt Barritt.

Das Besucherbergwerk Kleinenbremen ist eines von inzwischen sechs Bergwerken in Deutschland, in denen regelmäßig getaucht werden darf. In die Welt des Höhlentauchens reinschnuppern können erfahrene Sporttaucher ebenfalls im Schieferbergwerk Nuttlar im Sauerland und in den Felsendomen Rabenstein in Sachsen. In der Nähe dieser beiden Bergwerke befinden sich weitere Bergwerke für Taucher, die jedoch ausschließlich zertifizierten Höhlentauchern vorbehalten sind: die Schiefergruben Christine und Brilon in Willingen (Hessen) und das Bergwerk Miltitz in Meißen (Sachsen). An vielen Standorten bieten die Betreiber international anerkannte Höhlentauchkurse an.

Literatur:

Arnd Petry, Klaus-Thorsten Tegge: TauchFinder Deutschland: 250 Tauchspots im Überblick, 88 Seiten, Books on Demand, Norderstedt, 15,00 Euro, ISBN-13: 978-3837058741

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