Abgestempelt - Briefmarkensammeln ist bei jungen Leuten out

Essen · E-Mails, Smartphones, Chats: Jugendliche kommunizieren über alle möglichen digitalen Kanäle - aber nicht, indem sie Briefe schreiben. Entsprechend selten kommen junge Menschen mit Briefmarken in Kontakt. Da überrascht es wenig, dass die Sammler-Szene über Nachwuchssorgen klagt.

"Die Jugendlichen bekommen ja inzwischen keine Post mehr ins Haus, wo Briefmarken drauf sind", sagte der Vorsitzende der Deutschen Philatelisten-Jugend (DPhJ), Heinz Wenz, auf der 25. Internationalen Briefmarken-Messe in Essen (7. bis 9. Mai). Zudem seien zu wenige Erwachsene bereit, sich in der Jugendarbeit zu engagieren.

Mitte der 90er Jahre habe die DPhJ noch das Siebenfache an Mitgliedern gehabt, erzählt Wenz. Inzwischen betreue der Verein noch rund 4000 Kinder im Jahr in Jugendgruppen und Schulen. Allein in Nordrhein-Westfalen sei die Zahl der Jugendgruppen in den vergangenen 15 Jahren von 60 auf 40 geschrumpft, berichtet DPhJ-Landesringleiter Klaus-Günter Tiede aus Hamm.

Ein Blick durch die Essener Messehallen zeigt: Der typische Sammler ist ein Mann und eher jenseits der 50. Außer am Stand des Vereins "Frau und Philatelie", der das Café "Frauen auf Zack(e)" betreibt. "Die haben uns am Anfang nicht ernst genommen", sagt Christine Hennings-Kuhlmann aus dem niedersächsischen Zetel über ihre männlichen Sammler-Kollegen. "Da hieß es, Frauen sammeln nur Hund, Katze, Maus."

Allerdings sei es tatsächlich so, dass Frauen anders sammeln, sich eher für schöne Motive wie Blumen und Tiere begeisterten. "Männer haben eher die Dollarzeichen im Auge", sagt Hennings-Kuhlmann, die selbst sammelt, seit sie zehn Jahre alt ist. Ihr Spezialgebiet heute: Post von weiblichen Kriegsgefangenen. Vereinskollegin Agnes Kossikow aus Lippstadt interessiert sich speziell für DDR-Marken und Papstmotive. "Ich bin in meinem Heimatverein mit einer anderen Frau allein unter 200 Männern", berichtet sie. Probleme, ernst genommen zu werden, habe sie jedoch nicht.

Auch Michaela Kohlhagen aus Freiburg sammelt seit ihrer Kindheit. Inzwischen ist die 29-Jährige Vorsitzende des DPhJ-Landesrings Süd-West und über ihre Leidenschaft für Briefmarken zur Expertin für Dinosaurier geworden. Sie leidet unter dem Mangel an Briefmarken im Alltag. "Früher habe ich oft Material aus dem Mülleimer gefischt. Das ist heute unmöglich geworden", berichtet Kohlhagen. Als Exotin sieht sie sich als Briefmarkensammlerin zwar nicht - aber: Dass sie als junge Frau Vorsitzende ist, da schauten die Männer schon mal komisch unter dem Motto: "Wer kommt denn da?".

Aber egal, ob weiblich oder männlich: Viele Sammler interessieren sich nach Einschätzung von Messe-Organisator Jan Billion zunehmend auch für den Inhalt der Post. "Es gibt einen Trend zur Social Philatelie." Die Sammler schauten dann nicht nur auf die Marke, sondern auch auf Sender und Empfänger. Dies sei beispielsweise bei Feldpost sehr interessant.

Neben den klassischen Ländersammlungen oder Kollektionen über bestimmte Epochen spezialisieren sich viele Philatelisten auf bestimmte Themen und Motive - wie etwa Autos, Eisenbahnen, Sport oder Raumfahrt. Da werden dann auch entsprechende Stempel interessant. "Grundsätzlich gilt, je älter die Marke, desto besser", sagt Billion. "Aber es gibt auch moderne Raritäten." Etwa, wenn von einer Marke nur wenige Exemplare im Umlauf waren.

Zur Messe erwarten die Organisatoren bis Samstag rund 15 000 Besucher. Neben mehr als 30 ausländischen Postverwaltungen und -agenturen nehmen rund 80 Fachhändler, Auktionshäuser, Zubehör-Hersteller und Verlage teil.

Im Blickpunkt der Sammler stehen unter anderem zwei Automaten der britischen Royal Mail. Sie geben den besonderen Aufdruck "Messe Essen 7-9 May 2015" auf Marken von Großbritannien und der Kanalinsel Guernsey ab, die nur in Essen erhältlich sind. In Asien hatte es bei einer Messe nach den Worten von Billion einen wahren Run auf solche Automaten gegeben. Am Donnerstag hielt sich der Ansturm in der Ruhrgebietsstadt noch in Grenzen.

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Briefmarken-Messe

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