Mensch statt Maschine: Fitnesstraining ohne Geräte

Hamburg/Saarbrücken · Menschen, die Liegestütze machen, in die Kniebeuge gehen oder eine kleine Rundhantel schwingen: Die sieht man immer öfter in Fitnessstudios. Das Functional Training soll - anders als Gewichtsmaschinen - den gesamten Körper beanspruchen.

 Es soll Spaß machen: Beim Functional Training, hier im Fitnessstudio Fitness First in Berlin, werden viele Hilfsmittel eingesetzt, um die Übungen abwechslungsreicher zu gestalten. Foto: Monique Wüstenhagen

Es soll Spaß machen: Beim Functional Training, hier im Fitnessstudio Fitness First in Berlin, werden viele Hilfsmittel eingesetzt, um die Übungen abwechslungsreicher zu gestalten. Foto: Monique Wüstenhagen

Foto: DPA

Immer mehr Fitnessstudios bieten ihren Kunden ein Training jenseits der Maschinen an. Auf Freiflächen können sich die Freizeitsportler mit dem eigenen Körpergewicht oder Hilfsmitteln wie Rundhanteln oder Medizinbällen in Form bringen. Dustin Tusch vom Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (DSSV) spricht vom "momentan größten Trend" in der Fitnessbranche. Die Rede ist vom Functional Training.

"Das Functional Training ist eindeutig als Trend zu erkennen, nicht nur in den Studios, sondern insgesamt im Freizeitsport", bestätigt Prof. Christoph Eifler, Fachbereichsleiter Trainingswissenschaft an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement in Saarbrücken. Michael Branke von der Deutschen Fitnesslehrer Vereinigung (DFLV), sagt: "Die Tendenz geht dahin, ja, aber ob es überall angeboten wird, ist eine andere Frage." Es gebe circa 6000 Studios in Deutschland, und nicht jedes habe den Platz dafür.

Seine Wurzeln hat das Functional Training nach Angaben von Prof. Eifler im Athletiktraining des Hochleistungssports. Ziel sei, den Profisportler für das Training und den Wettkampf belastbarer zu machen. "Es dient der Verletzungsprophylaxe, verringert also die Verletzungsgefahr und verbessert zugleich die Leistungsfähigkeit", erläutert er. Statt einzelne Muskeln isoliert zu trainieren, werden ganze Muskelgruppen und komplexe Bewegungsabläufe gefordert. "Das macht mich nicht nur im Sport belastbarer, sondern auch im Alltag."

Beim Functional Training stehe die Gesamtleistung des Bewegungsapparats, nicht der kräftigste Muskel im Vordergrund, erläutert Volker Ebener vom Deutschen Fitness und Aerobic Verband (DFAV). Die Bewegungsmuster seien vielfältig und von zahlreichen Wiederholungen geprägt.

Fitnessstudioketten wie Fitness First errichten dafür "freestyle zones", in denen die Kunden frei mit Kleingeräten wie Medizinbällen, Rundhanteln (Kettlebells) oder Schlingentrainer arbeiten können. Andere wie McFit bieten schon länger Freihantelbereiche an. Manche inhabergeführte Studios konzentrieren sich vollständig aufs Functional Training und stellen keine Gewichtsmaschinen mehr auf.

Erste Berühmtheit erlangte das Functional Training vor einigen Jahren durch den Fußball-Coach Jürgen Klinsmann, erläutert Alex Steudel, Chefredakteur der Zeitschrift "Fit for Fun". Da Fitnessstudios inzwischen sehr viel weibliche Kundschaft haben, sei die klassische "Gewichte-Stemmerei" nicht mehr so stark gefragt. Außerdem sei es eine Lifestyle-Frage: Die Menschen wollten zwar gesund bleiben, aber durch den dafür nötigen Sport keine Muskelpakete werden.

Typische Übungen mit dem eigenen Körpergewicht sind zum Beispiel Kniebeugen, erläutert DFLV-Experte Branke. Die Kniebeuge macht der Sportler anfangs in der gehaltenen Version mit dem Rücken an der Wand. Dann trainiert er frei stehend oder auf labiler Unterlage.

Auch die Langhantel ist ein beliebtes Hilfsmittel - eine zwei Meter lange Stange, die gehoben wird. Häufig werden außerdem Schlingen verwendet, die an der Decke oder Wand befestigt sind. An diesen meist zwei Meter langen Seilen mit Handgriffen lassen sich zum Beispiel die Beine einhängen, sagt Branke.

Beim Training mit der Kettlebell kommt eine Schwungkomponente hinzu. Der Sportler stellt sich zum Beispiel in die Kniebeuge, hat die Kettlebell zwischen seinen Füßen stehen und hält sie am Griff. Dann streckt er die Knie und schwingt die Kugel vor den Körper, bis die Arme im 90-Grad-Winkel zum Oberkörper stehen.

Grundsätzlich sollten sich Einstieger von qualifiziertem Personal gut in die einzelnen Übungen einweisen lassen. Denn effizient sei das Training nur, wenn der Freizeitsportler mit seinem eigenen Körper richtig umgehen könne, betont Branke.

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Einstieg ins Functional TrainingBevor sich Freizeitsportler ans Functional Training machen, steht die sogenannte Anamnese an. Der Trainer sollte zunächst die körperlichen Belastungen im Alltag seines Kunden und dessen Bewegungsdefizite analysieren, sagt Prof. Christoph Eifler von der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement/BSA-Akademie. "Macht er einseitige Bewegungen? Hat er Probleme bei ganz normalen Bewegungsmustern?"

Gleichgewichtsproblemen kommt der Trainer zum Beispiel auf die Spur, indem er den Hobbysportler eine tiefe Kniebeuge machen lässt, ohne dass dieser die Fersen vom Boden heben darf. Manchen Menschen falle das schwer, erläutert Eifler. Andere beugten unwillkürlich den Oberkörper zu weit nach vorn oder kippten ihr Becken so, dass das Gesäß nach hinten hinausschiebt.

Um solche Bewegungsprobleme analysieren zu können, braucht der Trainer ein gutes biomechanisches Wissen. Idealerweise verfügt er über eine Lizenz zum Athletiktrainer oder zum Functional Trainer. Auch sollte er ein breites Übungsrepertoire mit und ohne Hilfsmittel im Kopf haben und nicht nur mit einzelnen Geräten wie der Kettlebell (Rundhantel) arbeiten können.

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