Die Angst vor den anderen Bonner Uniklinik startet Studie zur sozialen Phobie

Soziale Phobie ist mehr als Schüchternheit. An der Bonner Universitätsklinik startet eine Studie zu der dritthäufigsten psychischen Erkrankung.

 Nähe zu anderen Menschen löst bei sozialen Phobikern Angstzustände aus.

Nähe zu anderen Menschen löst bei sozialen Phobikern Angstzustände aus.

Foto: dpa

Er bekommt Schweißausbrüche, wenn er nur daran denkt, sein Referat in der Schule zu halten. Sie kauft nur abgepackte Wurst, weil sie sich davor fürchtet, eine Bestellung an der Theke aufzugeben. Sein Herz rast, wenn er einen Fremden anrufen soll. Zittern, Schwitzen, Erröten. Fast jeder Mensch kennt Situationen, in denen er aufgeregt ist, vor anderen zu sprechen oder Sorge hat, sich zu blamieren. Doch für rund zwölf von 100 Menschen ist das kein harmloses Lampenfieber, sondern eine ernste Erkrankung. Sie leiden unter sozialer Phobie.

"Die soziale Phobie ist weit verbreitet. Sie gehört zu den Angststörungen und ist die dritthäufigste psychische Erkrankung", erklärt Alexandra Kleiman. Die Psychologin gehört zu einem Team aus Wissenschaftlern der Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums Bonn, das die Ursachen der sozialen Phobie untersucht.

"Die Angst der Betroffenen wird verstärkt, weil sie glauben, dass ihnen die Nervosität anzusehen ist", sagt Dr. Rupert Conrad. Er ist Forschungsleiter der Psychosomatischen Abteilung am Uniklinikum Bonn und hat die weltweit erstmalige Studie gemeinsam mit der Professorin Franziska Geiser, Leiterin der Psychosomatischen Klinik, und Dr. Johannes Schumacher vom Institut für Humangenetik des Uniklinikums Bonn angestoßen.

Das zentrale Merkmal der Krankheit ist die Angst davor, sich in Gesellschaft anderer Menschen zu blamieren oder peinlich aufzufallen. Die Angst kann von starken körperlichen Reaktionen wie Herzrasen, Übelkeit und Unwirklichkeitsgefühl begleitet sein. "Menschen mit sozialer Phobie gehen Situationen aus dem Weg, in denen sie der Bewertung durch andere Menschen ausgesetzt sind. Sie versuchen, ihre Ängste geheim zu halten, und sind somit in Beruf und Privatleben eingeschränkt", sagt Psychologin und Studienkoordinatorin Stefanie Rambau.

Die Ängste können so weit führen, dass Betroffene nicht mehr zum Essen ausgehen, aus Sorge, sich zu blamieren, oder den Friseur meiden, weil sie dort Small Talk halten müssten. "Andere trauen sich nicht mehr ins Kino aus Angst, zwischendurch aufstehen und zur Toilette gehen zu müssen", berichtet Christina Wissussek, die die Studie als medizinische Doktorandin begleitet. "Die Erkrankten scheuen vor Freundschaften und Nähe zurück, sehnen sich aber gleichzeitig danach. Das macht natürlich auch die Partnersuche sehr schwer", sagt Kleiman. Soziale Phobie könne bis zur vollkommenen Isolation führen. Die Psychologin berichtet, dass Betroffene zusätzlich an einer Depression erkranken könnten oder ihre Ängste und Hemmungen mit Hilfe von Alkohol oder anderen Drogen zu bewältigen versuchen.

Ursachen der sozialen Phobie können, so die Wissenschaftler, Erlebnisse und Lernerfahrungen in der Kindheit sein. Eltern sollten aufmerksam werden, wenn ihre Kinder regelmäßig vor der Schule körperlich nicht erklärbare Bauchschmerzen bekämen, unter heftiger Prüfungsangst litten oder sich von Freunden zurückzögen.

Bei günstigem Krankheitsverlauf gehen die Ängste mit Beginn des Erwachsenenalters zurück. Manchmal bleiben sie ein Leben lang bestehen. Dabei seien Frauen und Männer gleichermaßen betroffen. Neu an der Bonner Studie ist, dass sie sich mit Hilfe neuester molekulargenetischer Auswertungsverfahren mit den genetischen Faktoren bei der Entstehung der Phobie beschäftigt. Besonders der frühe Beginn und chronische Verlauf der Erkrankung sowie ein Auftreten der Krankheit in der Familie weisen auf eine genetische Mitverursachung hin.

"Aber wir wissen noch nicht, welche Erbanlagen beziehungsweise Gene zur Entstehung der Krankheit beitragen", sagt Rambau. "Wenn schon die Mutter und Großmutter besonders schüchtern oder ängstlich waren, kann das ein Indiz für die Bedeutsamkeit der Erbanlage sein", so Wissussek. Ziel des Bonner Forschungsprojekts mit dem Namen "Social Phobia Research" ist es, die biologischen Ursachen der sozialen Phobie und ihren Zusammenhang mit individuellen Entwicklungsbedingungen zu erforschen, erklärt Humangenetiker Schumacher.

"Für die Studie werden wir eine sehr große Zahl von Betroffenen untersuchen, weil nur so die Analysen aussagekräftig sind. Nach den ersten 500 Teilnehmern können wir mit Auswertungen beginnen und erste Ergebnisse veröffentlichen. Die Studie wird aber über die nächsten Jahre kontinuierlich fortgeführt", sagt Kleiman.

Derzeit werden Teilnehmer gesucht. Betroffene aus Bonn und der Region, aber auch aus ganz Deutschland können sich beteiligen und zum besseren Verständnis des Krankheitsbildes beitragen. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse könnten längerfristig neue Ansatzpunkte zur Vorbeugung und Behandlung der sozialen Phobie entwickelt werden.

Melden können sich Betroffene ab 18 Jahren, bei denen eine soziale Phobie bereits diagnostiziert wurde, aber auch Menschen, die vermuten, an einer sozialen Phobie zu leiden. Auch Betroffene, die den persönlichen oder telefonischen Kontakt scheuen, können teilnehmen: über das Internet oder auf dem Postweg. Alle Daten werden streng vertraulich behandelt und lediglich für wissenschaftliche Arbeiten ausgewertet.

"Die Studie besteht aus zwei Teilen: Zum einen erhalten die Teilnehmer Fragebögen zu ihren individuellen Lernerfahrungen und ihrer Krankengeschichte, zum anderen benötigen wir eine Blutprobe für die DNA-Untersuchung", sagt Christine Wissussek. Anhand der Blutprobe werden mögliche genetische Ursachen untersucht, mit den Fragebögen werden die individuellen Hintergründe erfasst. "Nach der Kontaktaufnahme melden wir uns bei den Interessenten. Sie bekommen dann ein Päckchen mit den Materialien, die für die Blutabnahme benötigt werden, wenn sie die Abnahme durch ihren Hausarzt vornehmen lassen möchten. Sie können aber auch direkt zu uns kommen", so die Doktorandin.

Weitere Informationen gibt es unter www.socialphobiaresearch.de

Interessenten können sich per Telefon an das Studiencenter wenden unter (02 28) 28 71 46 05 oder per E-Mail an SocialPhobiaResearch@ukb.uni-bonn.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort