Der kleine Unterschied und die großen Lohn-Folgen

Berlin · Die Zahl erschreckt - jedenfalls auf den ersten Blick: Frauen hinken mit ihren Stundenlöhnen den männlichen Kollegen immer noch um 22 Prozent hinterher. Seit Jahren hat sich der Entgeltabstand auf diesem Niveau praktisch verfestigt.

 Jedes Jahr Ende März werden die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen angemahnt. Foto: Stephanie Pilick

Jedes Jahr Ende März werden die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen angemahnt. Foto: Stephanie Pilick

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Der alljährlich Ende März begangene "Equal-Pay-Day" soll an den Missstand erinnern. 2014 ist es der 21. März. Rein rechnerisch müssen Frauen über den Jahreswechsel hinaus genau bis zu diesem Freitag arbeiten, um wenigstens auf das durchschnittliche Jahresgehalt männlicher Beschäftigter zu kommen.

Was sagt die Lohnlücke von 22 Prozent aus?

Sie benennt den von Statistikern festgestellten Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von 15,56 Euro für Frauen und dem von 19,84 Euro für Männer im vergangenen Jahr. Die Differenz von 4,48 Euro entspricht eben jenen 22 Prozent. Nicht berücksichtigt sind dabei allerdings die Qualifikation der Beschäftigten und ob sie Voll- oder Teilzeit arbeiten.

Was kann man aus dieser Zahl nicht ablesen?

Die 22 Prozent bedeuten nicht, dass alle Frauen in Deutschland 22 Prozent weniger als Männer verdienen. Vor allem, wenn sie vergleichbare Tätigkeiten ausüben, ist die Lohnlücke in jedem Fall kleiner oder gar nicht vorhanden.

Sind Tarifverträge Grund für die ungleiche Bezahlung?

Nein. Tarifverträge unterscheiden bei gleichen Tätigkeiten nicht zwischen Mann und Frau - und dürfen das auch nicht. Andernfalls wäre das Anlass für eine Verfassungsklage. Die Gründe für die ungleiche Bezahlung liegen tiefer und haben vor allem mit der auf männliche Erwerbsbiografien zugeschnittenen Arbeitswelt zu tun. Experten sprechen von strukturellen Faktoren.

Welche Faktoren sind das?

Viele Frauen arbeiten in Berufen am unteren Ende der Einkommensskala: Als Kindergärtnerin, Krankenschwester, Friseurin, Verkäuferin oder Putzfrau - häufig auch als geringverdienende Minijobber (die allerdings nicht in die Statistik eingehen). Babypause und Pflege von Angehörigen - also familienbedingte Erwerbsunterbrechungen - fördern weder Einkommen noch Karriere. Deutlich mehr Frauen als Männer arbeiten zudem in Teilzeit. Mit Karriere belohnt wird aber oft nur, wer immer präsent ist: Also derzeit meistens Männer ohne Unterbrechungen ihrer Erwerbsbiografien.

Wie kann die Entgeltkluft überbrückt werden?

Indem Frauen bessere Rahmenbedingungen geboten werden, etwa durch eine bessere öffentliche Kinderbetreuung und mehr "vollzeitnahe Teilzeit-Jobs". Dann könnten sie auch mehr verdienen. Beim DGB heißt es dazu: "Vollzeitbeschäftigte Männer und Frauen wollen eher kürzere, teilzeitbeschäftigte Frauen eher längere Arbeitszeiten." Wenn man diese Wünsche erfülle, sei das auch ein wichtiger Schritt, um die Lohnlücke zu schließen.

Und was sagen die Arbeitgeber?

Sie weisen den Vorwurf als irreführend zurück, Frauen würden allein wegen ihres Geschlechts deutlich weniger verdienen. Berücksichtige man Faktoren wie Bildung, Alter, Berufserfahrung, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Firmengröße und auch noch Babypausen, bleibe nur noch eine Entgelt-Differenz zu den männlichen Kollegen von knapp zwei Prozent. Damit wäre der verbliebene kleine Unterschied fast weggerechnet.

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