Pützchens Markt Ein Leben für die Kirmes: Die niederländische Schaustellerfamilie Hoefnagels

PÜTZCHEN · Ohne Schausteller geht auf Pützchens Markt nichts. Monatelang sind sie auf Achse, ehe sie in Bonn halt machen. Was für den Durchschnittsbürger unvorstellbar ist, gehört für die ewigen Reisenden zum Leben dazu: Ihren kompletten Haushalt ziehen sie im Wohnwagen hinter sich her.

Der ist bei Joep Hoefnagels stolze 16 Meter lang und zweieinhalb Meter breit. Fährt der 42-Jährige die Wände aus, sind es sogar fünf Meter. In nur 20 Minuten verwandelt sich der übergroße Anhänger in ein zu Hause. Klimaanlage, Fußbodenheizung, Fernseher, Bad und Küche gehören zur Ausrüstung.

Alles ist auf die Wünsche der sechsköpfigen Familie abgestimmt. Der Wohnwagen hat den Wert eines Eigenheims. Joep Hoefnagels gehört zu einer alten holländischen Schaustellerfamilie. In siebter Generation betreibt er das Unternehmen. Seine Frau Lisa, die Söhne Joep (16), Toni (13), Carlo (11) und Steve (4) reisen oft mit. In Belgien, nicht weit von Aachen entfernt, besitzt die Familie ein richtiges Haus.

Dort geht Toni unter der Woche zur Schule und spielt Fußball im Verein. Am Wochenende geht es auf die Jahrmärkte. Wenn man mit Joep Hoefnagels im Wohnzimmer sitzt und ihm zuhört, könnte man meinen, dass er nie müde wird. Auch nach den kurzen Nächten auf Pützchens Markt ist er gut gelaunt und erzählt voller Begeisterung von seinem Job.

Etwa, wie er versuchte, die Kirmes nach China zu bringen. In einem riesigen Tross fuhr er damals nach Asien, um "neue Märkte" zu erschließen. "Das ging nach hinten los, ein Fahrgeschäft mussten wir dort verkaufen", sagt er. Als Schausteller habe man immer ein gewisses Risiko, die Freiheit habe ihren Preis.

So waren schon viele Attraktionen in seinem Besitz: Imbisse, eine Geisterbahn oder ein Mini-Scooter. Auch das "Action House", das dieser Tage auf Pützchens Markt steht, gehörte mal ihm. "Es muss sich alles rentieren", sagt er ganz trocken. Werfe ein Geschäft nicht genug Gewinn ab, müsse es eben verkauft werden.

[kein Linktext vorhanden]Im Moment betreibt er nur den "Booster Maxxx Mega G4", einen 55 Meter hohen Propeller. Wenn seine Söhne größer sind und seinen Weg einschlagen wollen, soll das Unternehmen wieder wachsen. Sein ältester Sprössling Joep hat schon genaue Pläne: Nach der Ausbildung zum Schweißer möchte er eigene Fahrgeschäfte entwerfen und bauen.

So, wie es jetzt läuft, hat Hoefnagels 365 Tage im Jahr zu tun. "Aber das ist gut, ich brauche immer Action", sagt er. In den Wintermonaten, wenn die Kirmessaison zu Ende geht, fährt die ganze Familie in ihr Haus nach Belgien. Dann repariert Hoefnagels Fahrgeschäfte und ist in seiner Elektrofirma tätig, die er auch aus der Ferne führt.

Er versorgt Schausteller und Veranstaltungen mit unterschiedlichen Bauteilen. Der Vorteil: Geht etwas bei ihm kaputt, kann er es günstig und schnell beziehen. Was ihn am Schaustellerleben reizt, ist nicht nur die Freiheit. Er genießt den Zusammenhalt untereinander.

Wenn es nach den Hochtagen am Wochenende ruhiger wird, trinkt man auf der Kirmes auch mal ein Bier und hat auf den Fahrgeschäften der anderen Spaß. Und wer kann schon so oft auf eine Riesenschaukel, wie er möchte?

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