Kommentar Machtspiele im Vatikan - Wie bei Coelestin V.

Coelestin V. trat im Jahr 1294 als bislang einziger Pontifex zurück, weil er gegen seinen Willen gewählt worden war. Er fühlte sich machtlos gegen die Korruption in der Kurie und reichte seine Dimission ein.

Auch bei Benedikt XVI. dürfte neben der beeinträchtigten Gesundheit eine gewisse Machtlosigkeit eine Rolle bei der Entscheidung gespielt haben. Als Manager und Verwaltungschef einer Behörde, die über mehr als eine Milliarde Katholiken entscheidet, wirkte er überfordert.

Nach dem zur Welt gewandten Pontifikat seines Vorgängers Johannes Paul II. wurde von Benedikt XVI. erwartet, eine innere Konsolidierung der Kirche voranzubringen. Seine Enzykliken und Bücher sind intellektuelle Grundlagen für kommende Theologen und Päpste. Doch kaum ein Pontifikat der jüngeren Zeit war derart gekennzeichnet von Diskussionen, Schwierigkeiten und Skandalen.

Da waren der Missbrauchsskandal, die Diskussion um das Schisma der radikalen Piusbrüder, zuletzt der Vatileaksskandal um vom Schreibtisch des Papstes gestohlene Dokumente. Der Papst hatte seinen Laden nicht mehr im Griff und war den Machtspielen der Kurie nicht gewachsen. Das verbindet ihn mit seinem mittelalterlichen Vorfahren Coelestin V.

Wenn sogar der Rücktritt eines Papstes denkbar ist, sind auch andere Tabus angreifbar. Denkbar ist etwa eine Reduzierung des Alters der Kardinäle, die zum Papst gewählt werden können. Die Obergrenze liegt heute bei 80 Jahren. Warum verträgt die Kirche keinen jüngeren Papst?

Zu bezweifeln ist, dass Joseph Ratzinger persönlich nun zur Ruhe kommen wird. Das Mysterium um einen zurückgetretenen Papst wird im Medienzeitalter extreme Formen annehmen.

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