Archäologen: Älteste Steinwerkzeuge entdeckt

Stony Brook · Die Vorfahren des Menschen haben vermutlich schon viel früher einfachste Steinwerkzeuge angefertigt als bislang angenommen.

 Die bearbeiteten Steine lassen darauf schließen, dass sich Menschen schon viel früher als vermutet Werkzeuge angefertigt haben. Foto: MPK-WTAP

Die bearbeiteten Steine lassen darauf schließen, dass sich Menschen schon viel früher als vermutet Werkzeuge angefertigt haben. Foto: MPK-WTAP

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So fanden Archäologen der Stony-Brook-Universität (USA) Hammersteine und andere bearbeitete Steine in der Nähe des Turkana-Sees im Norden Kenias, die 3,3 Millionen Jahre alt sein sollen. Sie stellen ihre Entdeckung im Fachmagazin "Nature" vor.

Bislang gingen Experten davon aus, dass die Oldowan-Kultur vor 2,5 Millionen Jahren die ersten Steinwerkzeuge herstellte. Der Name "Oldowan" leitet sich von einer Schlucht in Afrika ab, in der viele Fossilien und Werkzeuge entdeckt worden waren.

Die neuen Funde sind Untersuchungen zufolge nun jedoch 800 000 Jahre älter. Sie stellen damit die Ansicht infrage, dass erst die direkten Vorfahren des modernen Menschen die geistigen Fähigkeiten hatten, scharfkantige Werkzeuge herzustellen. Die Funde geben "Aufschluss über einen unerwarteten und bislang unbekannten Zeitraum homininen Verhaltens", wie Sonia Harmand von der Stony-Brook-Universität (Bundesstaat New York) in einer Mitteilung erklärte. Die Werkzeuge verrieten auch viel über die kognitive Entwicklung unserer Vorfahren.

Als Hominini wird eine Gruppe von Spezies bezeichnet, die sowohl moderne Menschen (Homo sapiens) als auch unsere nächsten evolutionären Vorfahren umfasst. Anthropologen gingen lange davon aus, dass unsere Verwandten aus der Gattung Homo die ersten waren, die Werkzeuge herstellen konnten. Nun mehren sich allerdings die Hinweise, dass schon frühere Zweige der Hominini, quasi unsere entfernten Cousins, dazu in der Lage waren.

So wurden nahe der Werkzeugfunde der Schädel und weitere Überreste eines 3,3 Millionen Jahre alten, homininen Fossils (Kenyanthropus platytops) entdeckt. Da der genaue Stammbaum des Menschen noch unklar ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, wie Kenyanthropus platytops genau mit anderen homininen Spezies verwandt ist. Für die Archäologen könnte er jedoch einer der möglichen Werkzeugbauer sein.

Doch nicht nur das Alter der Werkzeuge, sondern auch ihre Fundstelle überraschte die Forscher: So ergaben Analysen, dass das Gebiet früher eine Strauch-Baum-Landschaft war. Laut bisherigen Hypothesen führten klimatische Veränderungen zur Verbreitung von Savannen und damit zu einer ganz anderen Tierwelt. Die Entwicklung von Werkzeugen sei eine Reaktion unserer Vorfahren auf das veränderte Nahrungsangebot gewesen, so die Theorie: Sie hätten scharfkantige Steine angefertigt, um damit Fleisch aus Tierkadavern zu schneiden. Größe und Kerben der nun gefundenen Werkzeuge deuteten aber darauf hin, dass unsere Ahnen sie auch anders verwendeten - gerade in einer waldigen Umgebung mit vielen Pflanzen, meint der Anthropologe Jason Lewis von der Rutgers-Universität (US-Bundesstaat New Jersey). So könnten sie mit den bearbeiteten Steinen Nüsse oder Wurzelknollen geknackt haben.

Insgesamt fanden die Forscher 149 steinerne Artefakte in dem Gebiet, das sie Lomekwi 3 (LOM3) nannten - von Hammersteinen bis hin zu Amboss-artigen Steinen, die jedoch alle technisch weniger ausgefeilt sind als die Oldowan-Funde. Dennoch können die Werkzeuge, für die die Wissenschaftler den Namen "Lomekwian" vorschlagen, Aufschluss über die Evolution des menschlichen Hirns geben. Denn für die Herstellung von Werkzeugen ist eine bestimmte Kontrolle der Handmotorik nötig, die vor 3,3 Millionen Jahren entstanden sein könnte.

In einem Kommentar zur Studie warnt die Archäologin Erella Hovers von der Hebrew-Universität in Jerusalem vor voreiligen Schlüssen. Alter und Aussehen der Funde würden zwar dazu auffordern, die bisherigen Modelle über das Zusammenspiel aus Umweltveränderungen, menschlicher Evolution und technologischem Verhalten neu zu bewerten. Allerdings handele es sich bei den Werkzeugen bislang um ein isoliertes Ereignis, das weitere Untersuchungen benötige.

Auch für Faysal Bibi vom Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung in Berlin lässt die Studie Fragen aufkommen: So würden bisherige Überzeugungen zum Zusammenhang zwischen Klimawandel und der Entwicklung von aufrechtem Gang und Werkzeugen infrage gestellt. Wie jede wissenschaftliche Entdeckung würde auch die LOM3-Studie mit all ihren Ergebnissen in den kommenden Jahren zerlegt und angefochten werden. "Wenn die Studie all dem standhält, dann wird LOM3 als Ort mit den ältesten Werkzeugen unserer Vorfahren gelten", so Bibi, "bis jemand noch ältere findet ..."

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