Studentisches Literaturmagazin "Kritische Ausgabe" feiert Volljährigkeit Stolzer Blick zurück, skeptischer nach vorn

BONN · Eigentlich kann die Kritische Ausgabe (K.A.) in diesem Jahr gleich doppelt feiern. Die einzige von Studierenden verantwortlich herausgegebene unabhängige Zeitschrift mit literaturwissenschaftlichem Schwerpunkt im deutschen Sprachraum erscheint seit 1997 an der Universität Bonn - in der Regel alle sechs Monate. Jetzt ist sie also volljährig. Schon das ist in der immer schnelllebigeren Medienwelt eine bemerkenswerte Leistung.

 Einer der Köpfe, die hinter der Kritischen Ausgabe stecken: Chefredakteur Fabian Beer

Einer der Köpfe, die hinter der Kritischen Ausgabe stecken: Chefredakteur Fabian Beer

Foto: Thomas Kölsch

Zugleich erscheint dieser Tage ein 300 Seiten starker Jubiläumsband mit Beiträgen aus 25 K.A.-Ausgaben, den die beiden ehemaligen (Marcel Diel, Benedikt Viertelhaus) und der gegenwärtige Chefredakteur (Fabian Beer) gemeinsam herausgegeben haben.

Insofern könnte es kaum besser laufen für ein Magazin, das sich seit seinen Anfängen einen ausgezeichneten Ruf in der deutschen Germanistik erarbeitet hat. Wäre da nicht ein Problem, das derzeit viele studentische Institutionen beschäftigt: Nachwuchssorgen.

"Sicherlich muss man die K.A. erst einmal kennen und dann eine gewisse Hemmschwelle überwinden", erzählt Milena Niesen. Die 20-Jährige ist seit einem Dreivierteljahr in der Redaktion aktiv und hat sich zusammen mit Fabian Beer Zeit für ein Gespräch genommen. "Ich selbst habe auch zunächst angeboten, vor allem Laufbotentätigkeiten zu machen, weil ich nicht gedacht hätte, dass ich gut genug schreiben kann."

Schon gar nicht im wissenschaftlichen Bereich. Ein Trugschluss, wie Beer betont. Seit neun Jahren ist er dabei, seit zweien als Chefredakteur. "Wir bekommen häufiger mal Beiträge von Professoren hereingereicht - aber die sind auch nicht alle überragend", sagt er.

Zumal man ja gemeinsam an Texten arbeiten könne. Und nebenher wertvolle Einblicke in den Literaturbetrieb erhalte. "Es ist ja nicht so, dass wir alle nur fröhlich vor uns hin schreiben", sagt Beer. "Die ganze Organisation kommt noch dazu, vor allem die Finanzierung müssen wir jedes Mal aufs Neue sichern.

Das ist eine exzellente Vorbereitung auf das Berufsleben. Doch obwohl wir sogar zusammen mit dem Germanistischen Seminar ein Praktikum mit Leistungsschein anbieten können, zieren sich viele Studenten."

Dieser Praxisbezug war damals 1997 ein Grund für das Entstehen der K.A. Im Studium war ein solcher damals nicht vorgesehen, das Bild vom Taxifahrer mit abgeschlossenem geisteswissenschaftlichen Studium spukte durch viele Köpfe.

So beschloss eine Gruppe um Marcel Diel, der anschließend lange Zeit Chefredakteur und später die Graue Eminenz des Blattes war, mit dem Magazin eine Referenz zu schaffen, die bei Bewerbungen helfen sollte.

An dieser Idee hat sich nichts geändert, auch wenn Professionalität und Anspruch im Laufe der Zeit deutlich gestiegen sind. "Wenn du hinterher das fertige Heft in den Händen hältst, ist das schon ein tolles Gefühl", sagt Beer.

"Für mich war es vor allem die Ausgabe zum Thema “Werkstatt„, die mir bis heute am Herzen hängt. Darin war unter anderem ein Interview mit Helmut Krausser, der sich zu dieser Zeit eigentlich gar nicht öffentlich geäußert hat. Und wir hatten ihn! Das war schon etwas Besonderes. Der Text findet sich übrigens auch in unserem Jubiläumsband."

Während Beer zurückschaut, geht der Blick zugleich in die Zukunft. "Wir brauchen mehr junge Leute", sagt der Chefredakteur nachdrücklich. Dabei sollen verschiedene Maßnahmen helfen: "Wir wollen wieder ein wenig feuilletonistischer werden und planen, im kommenden Semester endlich wieder ein Seminar anbieten zu können", erklärt Niesen.

"Letzteres können wir schon allein dadurch gut machen, dass wir jetzt verschiedene Doktoranden unter unseren Redakteuren haben", fügt Beer hinzu. "In diesem Rahmen sollen auch Beiträge für das neue Heft zum Thema “Freundschaft„ entstehen." Außerdem startet eine neue Lesereihe namens "Forum Junge Literatur" mit preisgekrönten Nachwuchsautoren (siehe Kasten).

Ein beträchtliches Programm, das nur mit viel Leidenschaft gestemmt werden kann. Und mit der Hoffnung darauf, dass die volljährige und in ihrer Art noch immer einzigartige K.A. auch in Zukunft Bestand haben wird.

Der Jubiläumsband Fabian Beer, Marcel Diel, Benedikt Viertelhaus (Hgg.): "Musst nur wagen, wagen, wagen!" Ein Rückblick auf 25 Kritische Ausgaben. Weidle Verlag Bonn, 300 S., 15 Euro. Erhältlich im Bonner Buchhandel oder im Internet unter: www.kritische-ausgabe.de

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