Blick in die Zukunft Steht es in den Sternen?

BONN · Das Jahr hat kaum richtig begonnen, da gehen die Krisen unvermindert weiter. Kein Wunder, dass der Blick in die Zukunft etwa mit Hilfe von Horoskopen eine uralte Sehnsucht des Menschen ist. Alles bloß Scharlatanerie?

 Horoskope lassen sich theoretisch für jedes beliebige Ereignis errechnen – vorausgesetzt, der genaue Ort und Zeitpunkt sind bekannt. Dieses hier bezog sich auf die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz vor fünf Jahren und sagte eine rot-grüne Koalition voraus (wie übrigens die meisten Meinungsumfragen vor der Wahl auch).

Horoskope lassen sich theoretisch für jedes beliebige Ereignis errechnen – vorausgesetzt, der genaue Ort und Zeitpunkt sind bekannt. Dieses hier bezog sich auf die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz vor fünf Jahren und sagte eine rot-grüne Koalition voraus (wie übrigens die meisten Meinungsumfragen vor der Wahl auch).

Foto: picture alliance / dpa

"Vorhersagen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen“, spottete einst Mark Twain. Das schmälert keineswegs deren Popularität. Insbesondere um die Jahreswende wollen die Menschen einen Blick in die Zukunft werfen. Bereits die römischen Priester vertrauten dem Vogelflug (den sogenannten Auspizien) oder den Eingeweiden von Opfertieren. Bleigießen, Tarotkarten oder die Glaskugel zählen zum Repertoire der Gegenwart – doch der Klassiker unter den Wahrsagemethoden ist immer noch die Astrologie.

Wann genau die Menschen bei der Beobachtung des Himmels erkannt haben, dass es gewisse Zyklen gibt, die mit einiger Erfahrung vorausberechnet werden können, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Bis zu 7000 Jahre alte Anlagen wie das Sonnenobservatorium von Goseck in Sachsen-Anhalt oder der Steinkreis von Stonehenge dienten gewiss nicht allein der Himmelsbeobachtung, sondern auch der Deutung; zwei Schritte, die bis zum Beginn der Neuzeit Hand in Hand gingen.

Heute schaut kaum noch ein Astrologe zum Himmel, wo sich die in (wenn auch langsamer) ständiger Bewegung befindlichen Sternzeichen immer weiter von dem feststehenden astrologischen Tierkreis entfernen. Der Blick geht in den Computer: Er hat das Horoskop zum Massenereignis mit zweifelhaften Inhalten gemacht. „Ihre Chancen für Liebe, Gesundheit und Karriere“ – „Das große Jahreshoroskop für jedes Sternzeichen“ – „Der Sternenführer durch gute und schwierige Tage“, so lauten die einschlägigen Schlagzeilen.

Die meisten Ganz-Jahres-Prognosen sind entweder reißerisch oder banal oder gleich beides. Sie bedienen das Bedürfnis der Menschen nach ebenso konkreten wie simplen Vorhersagen und Ratschlägen: „In der ersten Hälfte des Jahres müssen Sie, um wichtige Entscheidungen zu treffen, Verantwortung übernehmen“, heißt es dann. Oder: „Positive Lebensphasen müssen erkannt und genutzt werden, sonst verpuffen sie im Trubel des Alltags.“

Die Basis derartiger Platitüden ist der Stand der Sonne, das sogenannte Sternzeichen. Ein Beispiel: Jupiter läuft etwa ein Jahr lang durch den Bereich eines der zwölf „Tierkreiszeichen“ am Himmel (die mit den „Sternbildern“ nicht identisch sind); derzeit befindet er sich im Zeichen der Jungfrau. Der nach dem Göttervater benannte Planet steht für Expansion, Reichtum und Fülle. Also wird den Jungfrau-Geborenen ein „Superjahr“ vorhergesagt: „Möglich ist alles!“ – „Nur keine falsche Bescheidenheit“ – „Die Chancen beim Schopfe packen“.

"Alles hat seine Stunde" heißt es schon im Alten Testament

In Sachen Job und Finanzen gibt Jupiter „praktisch eine Erfolgsgarantie“, versprechen die Sternendeuter. Skeptiker haben da leichtes Spiel. Sie sehen in der Astrologie „vielfach widerlegten Aberglauben“ und dokumentieren genüsslich die peinlichen Fehl-einschätzungen vom Vorjahr.

Die Bonner Astrologin Daniela Röcken lässt sich davon nicht beeindrucken. Die Vierzigjährige wirkt keinesfalls wie das Klischee einer Wahrsagerin, und sie weist es auch weit von sich: „Ich spekuliere nicht, ich betreibe keinen faulen Zauber. Ich habe eine Methode erlernt, die ich als Erfahrungswissenschaft bezeichne, und nach der arbeite ich. Das lässt sich alles jederzeit nachvollziehen.“

Tatsächlich ist die Mutter dreier Kinder und gelernte Volljuristin fest im Leben verankert. Was reizt sie an der Astrologie, wenn es mehr sein soll als nette Unterhaltung? „Ich begleite Menschen über längere Zeiträume, denn ich habe zahlreiche Stammklientinnen“, sagt Röcken. „Ihnen helfe ich, Entwicklungsschritte in Abstimmung mit der Qualität der Zeit vorzunehmen. Die kann ich in einem Horoskop erkennen, und es ist eine große Hilfe, wenn sich Menschen, die persönliche Veränderungen anstreben, daran orientieren können“.

Die Qualität der Zeit ist keine Erfindung der Astrologen. Bereits die alten Griechen unterschieden zwischen „chronos“ (der gemessenen Zeit, die unaufhörlich und gleichmäßig weiterläuft) und „kairos“, der Zeitqualität, dem günstigen Zeitpunkt. Auch im Alten Testament sagt der Prediger Salomo: „Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit: eine Zeit zum Gebären und eine Zeit zum Sterben, eine Zeit zum Pflanzen und eine Zeit zum Ernten.“

„Das kann als heimliches Bekenntnis zur Astrologie verstanden werden“, lacht Daniela Röcken und fügt hinzu: „Schließlich taten sich die alten Juden damit schwer, so dass sie solche Bekenntnisse in unverfängliche Form gekleidet haben.“ Und was sagt sie dazu, dass viele Jahresprognosen gnadenlos daneben liegen? Waren die nicht in der Lage, die Qualität der Zeit zu erfassen?

Die Bonner Astrologin, die auch dem Vorstand des Deutschen Astrologen-Verbandes angehört, ist um eine Antwort nicht verlegen: „Wer so argumentiert, überschätzt die Bedeutung dieser Art von Prognosen. Sie dienen einfach der Unterhaltung und sollte auch unter diesem Aspekt gewertet werden. Eine ernsthafte Prognose kann nur auf der Basis des persönlichen Horoskops vorgenommen werden und gehört keinesfalls an die Öffentlichkeit.“ Ihre Prognosen orientieren sich am Ort und exakteren Zeitpunkt der Geburt ihrer Klienten. Davon ausgehend entwickelt sie mit ihnen Ziele – und Wege dorthin.

Doch man muss nicht um die Jahreswende geboren sein, um diese Zeit als etwas Besonderes zu erleben, so die Erfahrung der Kölner Astrologin Heidi Treier: „Oktober, November sind die kritischen Monate im Jahr. In die Zeit fallen alle Totenfeste, die Natur zieht sich zurück und man wird mit der eigenen Endlichkeit konfrontiert. Das verunsichert. Zur Beratung kommen die Menschen jedoch verstärkt Anfang Januar. Sie fragen sich: Wo stehe ich auf meinem Lebensweg?“

Selbst Einstein sprach von der "kosmischen Religiosität"

Und was bieten die Astrologen auf eine solche Frage? „Wir schauen uns im Geburtshoroskop gemeinsam an, welche Planeten in den nächsten zwölf Monaten zu Besuch kommen und was sie bewirken“, verspricht Treier und legt ein Beispiel vor. Klientin Melanie R. ist Steinbock: Zum Zeitpunkt ihrer Geburt stand die Sonne in diesem Zeichen. In den letzten Monaten „lief der Pluto über ihre Sonne und im Quadrat dazu der Uranus.“

Wie deutet Treier das? „Melanie möchte sich beruflich selbständig machen, doch immer stellten sich ihr Blockaden in den Weg. Dabei drängte tief in ihr vehement etwas zum Aufbruch, zu einer grundlegenden Veränderung. Ich habe ihr deutlich gemacht, dass die Blockaden dazu da sind, sie auf Herz und Nieren zu prüfen, ob das, was sie plant, wirklich Bestand haben kann. Darauf konnte sie sich einlassen. Im Frühjahr entspannt sich die astrologische Konstellation. Ich bin überzeugt: Dann startet sie durch.“

Wie immer man die Astrologie beurteilen mag, es gibt Paralellen zum Lauf der Natur. Wenn die Sonne um den 21. Dezember ins Zeichen des Steinbocks eintritt, ist Wintersonnenwende – eine natürliche Zäsur im Jahresablauf. „Innehalten“, sagt Heidi Treier, „lohnt sich in der Steinbock-Zeit für jeden. Mit seiner Klarheit und Strukturiertheit kann der Steinbock die Qualität der Zeit erfassen, und genau das ist das Wesen der Astrologie – das Erkennen von kosmischen Zyklen und der Zeit-Qualität.“

Bisweilen gibt es sogar Berührungspunkte mit der Naturwissenschaft. Der über jeden esoterischen Verdacht erhabene Wissenschafts-Autor Hoimar von Ditfurth (1921-89) schrieb in seinem Buch „Kinder des Weltalls“: „Als “verloren„ ist unsere Erde in diesem Raum schon deshalb nicht anzusehen, weil auch sie – wie jeder andere Himmelskörper – durch das unsichtbare und dennoch unzerreißbare Netzwerk der zwischen allen Himmelskörpern wirkenden Anziehungskräfte auf einem Kurs und in einer Ordnung gehalten wird, die seit Jahrmillionen stabil ist.“

Und selbst Albert Einstein verfasste einst ein bemerkenswertes Bekenntnis: „Ich behaupte, daß die kosmische Religiosität die stärkste und edelste Triebfeder wissenschaftlicher Forschung ist ... Ein Zeitgenosse hat nicht mit Unrecht gesagt, daß die ernsthaften Forscher in unserer im allgemeinen materialistisch eingestellten Zeit die einzigen tief religiösen Menschen seien. Ihre Religiosität liegt im verzückten Staunen über die Harmonie der Naturgesetzlichkeit, in der sich eine so überlegene Vernunft offenbart, dass alles Sinnvolle menschlichen Denkens und Anordnens dagegen ein gänzlich nichtiger Abglanz ist.“

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