Tierbestände schrumpfen Menschheit lebt auf Kosten der Natur

Ausgestorbene Arten, abgeholzte Regenwälder, leergefischte Gewässer: Weltweit zeigen sich nach einem neuen Bericht die Folgen menschlichen Ressourcenbedarfs. Auch in Deutschland schwinden Arten - das Rebhuhn zum Beispiel, mahnt der WWF.

 Tote Fische.

Tote Fische.

Foto: Stefan Sauer/Illustration

Bei so mancher Zahl müssen selbst Naturschützer, die oftmals schlechte Nachrichten überbringen, schlucken: Die Bestände der Tiere in Flüssen und Seen sind weltweit im Schnitt um 81 Prozent zurückgegangen.

Viel, viel weniger Reptilien, Amphibien und Fische tummeln sich dort als noch in den 70er Jahren. "Das ist auch für eine Umweltorganisation ein erschreckender und überraschend gravierender Wert", sagte Christoph Heinrich aus dem Vorstand der Umweltstiftung WWF der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag. "Ein großer Fluss wie der Kongo ist fast vollständig leergefischt."

Doch auch in Deutschland liegt vieles im Argen, wie aus dem "Living Planet Report 2016" des WWF hervorgeht, den Heinrich in Berlin vorstellte. Es ist eine Art Fieberkurve zum Zustand der Lebensräume auf der Erde und erscheint alle zwei Jahre. Fazit: Das Fieber der Erde steigt weiter. "Wir können ziemlich genau nachweisen, dass die Menschheit eigentlich seit den 70er Jahren den Planeten deutlich übernutzt. Und das wird von Jahr zu Jahr schlimmer", sagte Heinrich.

Das hat nicht nur Folgen für entfernte Korallenriffe, sondern auch vor der eigenen Haustür: Rebhuhn und Kiebitz etwa seien enorm selten geworden, sagt Heinrich. Europaweit gebe es immer weniger Feldlerchen, die auf "sterilen Äckern" der modernen Landwirtschaft keine Insektennahrung mehr fänden.

Im Report wurden weltweit Bestände von mehr als 14 000 Wirbeltierarten untersucht - im Schnitt sind die Bestände zwischen 1970 und 2012 um knapp 60 Prozent geschrumpft. Vor allem, weil die Lebensräume immer weiter schwinden oder sich verschlechtern, heißt es im Report. Auch Umweltverschmutzung und der Klimawandel tragen ihren Teil bei.

Wie der Bericht zeigt, verbraucht die Menschheit pro Jahr nicht die Ressourcen einer Erde, sondern rechnerisch von 1,6 Erden. Zum Beispiel wird mehr Holz aus den Wäldern geholt als nachwachsen kann. Leben die Menschen weiter wie bisher, wären laut Bericht im Jahr 2030 zwei Erden nötig, um den jährlichen Bedarf an Nahrung, Wasser und Energie zu decken.

Grundlage dieser Berechnungen ist der sogenannte ökologische Fußabdruck: Er spiegelt wider, wie stark der Mensch das Ökosystem und letztlich die Erde beansprucht. Berechnet wird er in globalen Hektar (Gha) - je kleiner der Wert, desto besser. Insbesondere die Industrienationen kämen jedoch auf hohe Werte - allen voran Luxemburg, Australien, die USA, Kanada und Singapur, sagte Heinrich. Aber auch die europäischen Länder zählten zur Speerspitze.

Weil diese Länder ihren Ressourcenbedarf gar nicht Zuhause decken können, werden etwa für den Sojaanbau in Südamerika empfindliche Ökosysteme geopfert, beispielsweise Regenwald gerodet. Das Soja landet dann in deutschen Ställen als Energiefutter. "Fleisch wird in der Tragweite der Zerstörungskraft unterschätzt", betont Heinrich und ruft dazu auf, weniger, aber dafür qualitativ besseres Fleisch zu essen.

Ein bewussterer Umgang mit Ressourcen müsse auch ganz oben auf der Agenda der Politik stehen, fordert der WWF. Und will nicht etwa Steuern auf bestimmte Produkte erhöhen - vielmehr müsse die Herkunft von Produkten auf den Prüfstand: "Die Regierung muss die Wirtschaft an den Tisch holen, um über nachhaltige Lieferketten zu sprechen", sagte Heinrich. Das kann heißen, dass sich Firmen verpflichten sollten, auf Zutaten wie Soja oder Palmöl zu verzichten, wenn für den Anbau Wald in den Tropen gerodet wurde. Denn eines ist sicher: Zurückholen lassen sich einmal zerstörte Gebiete - samt der dort vorkommenden Tierarten - nicht oder nur äußerst schwer.

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