Geologen der Universitäten Bonn und Köln Kontinente entstanden womöglich anders

BONN · Geologen der Universitäten Bonn und Köln haben Ergebnisse vorgelegt, aus denen sich ein neues Bild der frühesten Phase der Kontinentbildung ergibt. Bislang ging die Forschung davon aus, dass die ersten Kontinentalgesteine vor rund vier Milliarden Jahren entstanden, indem die ozeanische Urkruste durch plattentektonische Bewegungen im Erdmantel versank und in großen Tiefen schmolz.

 Spurensuche: In Grönland wurden die ältesten auf der Erde erhaltenen Kontinentgesteine gefunden. Sie dienen den Geologen als Forschungsmaterial.

Spurensuche: In Grönland wurden die ältesten auf der Erde erhaltenen Kontinentgesteine gefunden. Sie dienen den Geologen als Forschungsmaterial.

Foto: dpa

Untersuchungen der Bonn-Kölner Wissenschaftler stellen nun dieses Modell in Frage und legen nahe, dass die Bildung der ersten Kontinentfragmente in viel geringeren Tiefen erfolgte und die Ausgangsgesteine wahrscheinlich nie versenkt worden sind. Dies hat weitreichende Konsequenzen für unsere Vorstellungen von der Entwicklung der frühen Erde, so die Universität Bonn.

Der Aufbau der Erde lässt sich mit einer Apfelsine vergleichen: Die Erdkruste ist die Schale, die auf dem schwereren Erdmantel schwimmt. Die 30 bis 40 Kilometer dicke Kruste der Kontinente bildet das Festland. Sie ist leichter als die dünnere ozeanische Kruste und ragt wegen ihrer geringen Dichte aus dem Erdmantel wie ein Eisberg aus dem Meer.

"Nach der gängigen Theorie hat sich die erste kontinentale Kruste dadurch gebildet, dass die ozeanische Kruste in Plattenkollisionszonen tief in den Erdmantel abtauchte und in rund 100 Kilometern Tiefe teilweise aufschmolz. Diese Schmelzen sollen dann zur Erdoberfläche aufgestiegen sein und die ersten Kontinente gebildet haben", berichtet Privatdozent Dr. Thorsten Nagel vom Steinmann-Institut für Geowissenschaften der Universität Bonn, der Erstautor der Studie. Als Beleg für dieses Szenario galten bislang die mit rund 3,8 Milliarden Jahren ältesten auf der Erde erhaltenen Kontinentgesteine, die in Westgrönland gefunden wurden.

Die Bonn-Kölner Forscher untersuchten nun in diesen Gesteinen verschiedene in äußerst geringen Konzentrationen auftretende Elemente, sogenannte Spurenelemente. "Mit ihrer Hilfe kann man die Minerale in dem Restgestein identifizieren, das in der Tiefe von der Schmelze zurückgelassen wurde", sagt Professor Carsten Münker. Bevor die Gesteinsschmelze das Muttergestein verließ, herrschte zwischen ihr und den zurückbleibenden festen Mineralien ein reger Austausch von Spurenelementen. "Verschiedene Minerale teilen sich mit der Schmelze jedes Spurenelement auf charakteristische Weise. Das heißt, der Gehalt von Spurenelementen in der Schmelze stellt einen Fingerabdruck des zurückgebliebenen Restgesteins dar", erläutert Dr. Elis Hoffmann aus Bonn, Mitautor der Studie.

Der Gehalt der ältesten Kontinentalgesteine an Spurenelementen erlaubt es somit, mögliche Restgesteine hinsichtlich ihrer Minerale zu rekonstruieren und zu bestimmen, in welchen Tiefen die kontinentale Kruste ihren Ursprung hat. Die Wissenschaftler berechneten am Computer für verschiedene Tiefen und Temperaturen die Zusammensetzungen von Restgesteinen und Schmelzen, die bei der teilweisen Aufschmelzung ozeanischer Kruste entstehen würden.

Die für die Schmelze errechneten Werte verglichen sie dann mit den tatsächlichen Spurenelement-Gehalten in den ältesten kontinentalen Gesteinen. "Unsere Ergebnisse zeigen ein überraschendes Bild", berichtet Nagel. "Die ozeanische Kruste muss gar nicht in Tiefen von 100 Kilometer abtauchen, um Schmelzen zu bilden, aus der die Gesteine der ersten Kontinente entstanden." Nach den Berechnungen ist eine Tiefe von etwa 30 Kilometern viel wahrscheinlicher.

Solche Mächtigkeiten kann die ozeanische Kruste im Archaikum durchaus gehabt haben. Die allmählich abkühlende Erde war vor rund vier Milliarden Jahren noch deutlich heißer als heute. In Verbindung mit anderen geologischen Prozessen könnte die ozeanische Urkruste die Kontinente direkt "ausgeschwitzt" haben. Nagel: "Wir halten es für unwahrscheinlich, dass sich unsere Kontinente in Subduktionszonen gebildet haben. Ob es solche Versenkungszonen tektonischer Platten auf der frühen Erde überhaupt gab, steht somit wieder zur Debatte."

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