UN-Abkommen zum Schutz der Kleinwale Kleine Wale, kleine Schritte

Bonn · Das UN-Abkommen zum Schutz der Kleinwale wird 25 Jahre alt. Im Langen Eugen in Bonn arbeitet Heidrun Frisch-Nwakanma am Erhalt der Meeressäuger-Bestände. Sie bilanziert die Probleme: „Es ist alles komplizierter, als man dachte.“

Ein kleiner Schweinswal im Sognefjord in Norwegen: 300.000 Wale und Delfine sterben nach Experten-Schätzungen zufolge weltweit jedes Jahr, weil sie sich als Beifang in Fischernetzen verheddern und dort ersticken. Zum Vergleich: Die gesamte Nordsee zählt nur rund 300.000 Tiere. Ein Schweinsmal kann bis zu 2,5 Meter lang werden und bis zu 200 Kilogramm wiegen. Die Tiere haben einen gedrungenen Körper mit rundem Kopf und stumpfer Schnauze ohne Schnabel. Die Kiefer enthalten bis zu 120 spatelförmige Zähne.

Ein kleiner Schweinswal im Sognefjord in Norwegen: 300.000 Wale und Delfine sterben nach Experten-Schätzungen zufolge weltweit jedes Jahr, weil sie sich als Beifang in Fischernetzen verheddern und dort ersticken. Zum Vergleich: Die gesamte Nordsee zählt nur rund 300.000 Tiere. Ein Schweinsmal kann bis zu 2,5 Meter lang werden und bis zu 200 Kilogramm wiegen. Die Tiere haben einen gedrungenen Körper mit rundem Kopf und stumpfer Schnauze ohne Schnabel. Die Kiefer enthalten bis zu 120 spatelförmige Zähne.

Foto: picture alliance / Naturepl.Com/

Manhattan, am 17. März 1992: Als das Abkommen über die Erhaltung von Kleinwalen in der Nord- und Ostsee im UN-Hauptquartier feierlich unterzeichnet wird, ist die Zuversicht groß: Ein regionales Artenschutzabkommen, klar umgrenzt in Raum und Auftrag, ist schließlich viel besser umzusetzen als jeder Plan für den Weltfrieden oder gegen Hungersnöte. Oder etwa nicht?

25 Jahre später, im Langen Eugen in Bonn, wo das Sekretariat des Abkommen angesiedelt ist, blickt Heidrun Frisch-Nwakanma zurück und zieht eine differenzierte Bilanz. „Man ging damals davon aus, dass es nicht allzu schwer sein kann, eine Lösung für das Problem zu finden, dass Schweinswale von Fischern als Beifang gefangen werden“, sagt sie. „Schließlich fangen die Fischer die Meeressäuger nicht absichtlich.“ Heute weiß man: „Es ist alles viel komplizierter, als man dachte.“

Frisch-Nwakanma koordiniert das „Agreement on the Conservation of Small Cetaceans of the Baltic, North East Atlantic, Irish and North Seas“ (UN-Sprech: Ascobans), zu dem sich mittlerweile immerhin zehn Nationen – Schweden, Finnland, Litauen, Polen, Dänemark, die Niederlande, Belgien, Frankreich, Großbritannien und Deutschland – verpflichtet haben. Das Sekretariat wird vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) getragen, organisiert Tagungen zum Schutz der gefährdeten Zahnwalarten und holt Vertreter der Mitgliedsstaaten an einen Tisch – gemeinsam mit Nichtvertragsstaaten, internationalen Organisationen und Wissenschaftlern.

Willkommen in einer Politik der kleinen Schritte. Schon deshalb, weil ein Durchbruch bei der Entwicklung alternativer Fangmethoden noch immer fehlt. „Es ist schwierig, einen Weg zu finden, der funktioniert und der auch den Fischern die Lebensgrundlage lässt“, erklärt die Koordinatorin. 300.000 Wale und Delfine sterben Schätzungen zufolge weltweit jedes Jahr, weil sie sich als Beifang in Fischernetzen verheddern und dort ersticken. Zum Vergleich: Die gesamte Nordsee zählt nur rund 300.000 Tiere.

Neue Herausforderungen

Auch auf Initiative von Ascobans haben Fischer mit beschichteten Netzen experimentiert, die für Schweinswale besser wahrnehmbar sind, oder sie nutzen Vergrämer, um die Wale von den Netzen fernzuhalten. „Die Methode reduziert zwar den Beifang“, sagt Frisch-Nwakanma, „aber vertreibt auch die Wale aus wichtigen Gebieten.“ Andere Methoden seien bei gleicher Fangmenge so unverhältnismäßig aufwendig, dass die Fischer nicht mehr rentabel arbeiten können.

„Bis Prototypen entwickelt, getestet und in der echten Fischerei eingesetzt werden, können 20 Jahre vergehen“, sagt Frisch-Nwakanma. Die Umsetzung von Empfehlungen ist dann noch einmal ein ganz anderes Problem, denn natürlich fischen vor den Küsten nicht nur die Flotten der durchaus einsichtigen Vertragsstaaten, sondern auch die anderer Nationen.

Neue Schwierigkeiten sind hinzu gekommen, von denen die Unterzeichner des Abkommens vor 25 Jahren nichts ahnen konnten: Unterwasserlärm und die langfristigen Konsequenzen von Chemikalien wie polychlorierten Biphenylen (PCB) gefährden den Bestand der Kleinwale zusätzlich. „Große Tümmler, die das Vertragsgebiet nicht nur queren, sondern dort heimisch sind, gibt es in deutschen Gewässern gar keine mehr“, sagt die Koordinatorin. In der Ostsee leben gerade noch 500 Schweinswale.

Den Tieren setzt die Geräuschkulisse aus Schiffsverkehr, dem Bau von Offshore-Anlagen oder der kontrollierten Sprengung von Munitionsaltlasten zu, weil es ihr Sonarsystem stört; bei Lärm können sie nicht jagen, nicht kommunizieren und sich nur schlecht orientieren. Ascobans ist es zwar auch zu verdanken, dass für die deutsche Nordsee ein Schallschutzkonzept entwickelt worden ist und die Wirtschaft im Nachgang leisere Verankerungen für Windturbinen baut. Auch Schweden hat inzwischen eine Schutzzone für die Aufzucht des Ostsee-Schweinswals ausgewiesen. Doch Frisch-Nwakanmas Arbeit bleibt ein Sisyphoswerk. „Die Schritte sind klein, ja, aber sie gehen immer vorwärts, nicht rückwärts“, sagt sie dazu diplomatisch.

Mit 1,5 Vollzeitstellen dürfte das Ascobans-Sekretariat nicht nur eines der kleinsten am UN-Standort Bonn, sondern auch weltweit sein. Es muss mit dem Geld auskommen, das die Vertragsstaaten für den Schutz der Kleinwale locker machen wollen. Doch die Umweltressorts rangieren in den nationalen Hackordnungen weit unten. Herzblut und Engagement – ohne sie geht es für die Meeresspezialisten ganz sicher nicht.

Sie erwarten kurz nach ihrem 25. Jubiläum mit nervöser Unruhe die Ergebnisse der jüngsten Kleinwal-Zählung. Alle zehn Jahre werden die Daten mühsam erhoben. „Für uns wäre es schon ein Erfolg, wenn der Bestand im Vergleich zu 2005 gleich geblieben wäre“, sagt Frisch-Nwakanma. Für den Gemeinen Delfin, der womöglich als Klimawandel-Gewinner sogar häufiger gesichtet wird, ist bereits ein Schutzplan in Arbeit. Er wird im Herbst vorgestellt.

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