"Grotesk und peinlich"

Wie aus einer Wiedergutmachungsfeier für eine emigrierte Ärztin ein Fall für den Bonner Staatsanwalt wird

Bonn. Sie ist eine der starken Frauen in der Geschichte der Bonner Unikliniken: Eva Glees-Loeb, Doktorandin des Jahres 1934. Als Jüdin wurde ihr der Doktortitel damals versagt und erst 1955 formell zugesprochen. Mitte der 30er Jahre musste sie mit ihrem Gatten Paul Glees, ebenfalls Arzt und später Medizinprofessor, erst nach Rotterdam und dann nach England fliehen. Eva Glees praktizierte in Oxford als Zahnärztin und lebt dort noch heute, inzwischen 92-jährig.

Höhepunkt der Wiedergutmachung seitens der Bonner Uni war die (etwas verspätete) Verleihung der goldenen Doktorurkunde im Jahre 1990, wofür die Emigrantin eigens an den Rhein kam. Jetzt auf einmal behandelt die Bonner Staatsanwaltschaft die Einladung als "schmutzige Wäsche", um dem damaligen Dekan der Medizinischen Fakultät, Hans-Jürgen Biersack, wegen eines angeblichen Steuerdelikts auf die Anklagebank zu bringen.

Es geht um ein paar hundert Mark, die dem Dekanat 1990 nicht zur Verfügung standen. Biersack ließ sie sich deshalb von einem Konto persönlich eingeworbener Industriespenden anweisen, die der Forschung und Lehre dienen sollten. Kein ungewöhnlicher Vorgang. Reinhardt Lutz, der Kanzler der Universität, sagt: "Reisekostenerstattungen sind ein alltägliches Geschäft an unserer Universität und sicher kein Fall für den Staatsanwalt. Ich finde es grotesk und peinlich, dass ein solcher Sozialakt von Wiedergutmachung durch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in den Schmutz gezogen wird."

Dieser Anspruch, meint ein prominenter Strafrechtslehrer einer Nachbar-Universität, war offenbar schon mit der akademischen Rede erfüllt, die Eva Glees auf der Feier zu ihren Ehren hielt. Glees erzählte darin ein Stück Medizingeschichte im Exil, das sich auszugsweise sogar auf den Internetseiten der Alma Mater findet: www.uni-bonn.de/Frauengeschichte/ausstell/teil4/teil4t11.htm

Die Staatsanwaltschaft versagt jede Erklärung über ihre Abwägungen zum "Vorgang Dekanatsangelegenheit Frau Dr. Eva Glees-Loeb", wie es im Amtsdeutsch der Steuerfahnder heißt. Selbst wenn die Überweisung auf dem kurzen Dienstweg rechtlich fragwürdig gewesen wäre, hätten die Strafverfolger die universitätsgeschichtlich sensible Sache angesichts weiterer ähnlicher Anschuldigungen von Rechts wegen auf sich beruhen lassen können. Aber die Fronten im Bonner Musterfall der so genannten Mediziner-Korruption sind offenbar so verhärtet, dass die Ermittlungs- und Anklagebehörden jeden Stein umdrehen, um nach Möglichkeit damit nach dem Angeschuldigten zu werfen. Ob damit dem höchsten Rechtsgut, dem Frieden gedient ist, steht dahin.

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