36 Prozent gehen verloren Gletscherschmelze ist nicht mehr aufzuhalten

Bremen · Die schlechte Nachricht: Egal, was wir tun, die Gletscher werden schmelzen. Die gute Nachricht: Wenn wir heute handeln, können wir die Eismassen teilweise retten. Der Erfolg wird sich aber erst im nächsten Jahrhundert zeigen.

 Besucher wandern über das teilweise mit Planen abgedeckte Gletscherende des Rhonegletschers.

Besucher wandern über das teilweise mit Planen abgedeckte Gletscherende des Rhonegletschers.

Foto: Urs Flueeler/Keystone

Die Gletscher werden weiter schmelzen - selbst wenn sich alle Länder an das internationale Klimaabkommen von Paris halten. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie von Wissenschaftlern der Universitäten Bremen und Innsbruck die im Fachmagazin "Nature Climate Change" veröffentlicht wurde.

Danach werden etwa 36 Prozent des Gletschereises langfristig verloren gehen. Nach den Berechnungen der Forscher macht es dabei keinen Unterschied, ob der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur wie im Pariser Abkommen vereinbart auf 2 Grad oder im besten Fall 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit begrenzt wird. "Das spielt eine überraschend und auch frustrierend geringe Rolle - zumindest für das laufende Jahrhundert", sagte der Bremer Klimaforscher Ben Marzeion.

Der Grund: Die Gletscher reagieren langsam auf klimatische Veränderungen. Deshalb wird sich erst im nächsten Jahrhundert zeigen, ob der Klimaschutz erfolgreich war. Die Wissenschaftler haben errechnet, dass jedes Kilogramm Kohlendioxid, das wir heute ausstoßen, langfristig 15 Kilogramm Gletschereis schmelzen lässt.

Der Experte Torsten Albrecht vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, der nicht an der Studie beteiligt war, sagte dazu: "Dies zeigt sowohl die historische Dimension unserer Verantwortung für die folgenden Generationen als auch die Notwendigkeit, das Zeitalter fossiler Energienutzung so rasch wie möglich hinter uns zu lassen."

Für die Studie hatten Marzeion und seine Kollegen die Entwicklung der 200.000 Gletscher weltweit modelliert und aufaddiert, um eine globale Summe zu errechnen. Dabei bezogen sie Höhe und Größe der Gletscher, regionale Temperatur- und Niederschlagsverhältnisse, Daten aus Klimabeobachtungen und künftige Klimaszenarien mit ein. "Die globalen Zahlen sind interessant, weil sie die zentrale Rolle für den Anstieg des Meeresspiegels spielen", erläuterte Marzeion.

Die Eisschilde in der Antarktis und Grönlands sowie die Eisberge dort haben die Klimaforscher in der Studie nicht berücksichtigt. "Wir haben weniger als ein Prozent der weltweiten Eismasse erfasst", sagte Marzeion. "Aber diese kleinen Gletscher tragen ungefähr genauso viel bei zum Meeresspiegelanstieg wie die Eisschilde Grönlands und in der Antarktis." Denn die kleineren Gletscher würden schneller schmelzen.

Gerade für diese sei es entscheidend, ob die Temperatur künftig um 1,5 oder 2 Grad steige, kommentiert der Glaziologie-Experte Tobias Bolch von der Universität Zürich die Studie. "Es ist lange bekannt, dass Gletscher in verschiedenen Regionen der Erde in unterschiedlichem Ausmaß reagieren." Aussagen zu den regionalen Auswirkungen zum Beispiel in den Alpen könne die Studie allerdings nicht machen.

Johannes Fürst vom Institut für Geografie der Universität Nürnberg-Erlangen sieht darin den wunden Punkt der Studie. "Natürlich gibt es regional Unterschiede im erwarteten Gletscherrückzug. Unberücksichtigt bleiben Faktoren wie Schuttbedeckung, Eisdynamik, Eisbergkalben, lokale Gegebenheiten der Sonneneinstrahlung sowie das lokale Mikroklima."

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