Anmerkungen zum Weltwassertag Für 600 Millionen wäre Selters Sekt

Für Menschen ist es kaum möglich, etwas als kostbar zu schätzen, was sie im Überfluss haben: Stets verfügbares, sauberes Wasser gehört zu den Selbstverständlichkeiten in Deutschland. Doch Wassernot ist mancherorts seit langem real und wird sich verschärfen.

 Alltag im ländlichen Äthiopien und in vielen Teilen Afrikas: Aus den Dörfern schleppen die Menschen stundenlang Kanister zu einem Brunnen, um sie mit Wasser zu füllen.

Alltag im ländlichen Äthiopien und in vielen Teilen Afrikas: Aus den Dörfern schleppen die Menschen stundenlang Kanister zu einem Brunnen, um sie mit Wasser zu füllen.

Foto: AFP

Es gibt viele Missverständnisse ums Wasser. Eines spielte im regenreichen Deutschland. Irgendwann Anfang der 1990er Jahre glaubte der Bundesbürger - grünes Gedankengut eroberte gerade die Köpfe - Wassersparen sei sinnvoll. Vielleicht hatten auch schockierende Dürre- und Hungerbilder aus Afrika eine Rolle gespielt und hier und dort ein schlechtes Gewissen verursacht.

Fortan stellten jedenfalls immer mehr Menschen beim Zähneputzen den Wasserhahn aus, entrümpelten alte Geschirrspüler und Waschmaschinen, um sich wassersparende neue Geräte zu kaufen. So sank der Pro-Kopf-Verbrauch von jährlich rund 150 Liter um etwa 20 Liter bis heute, während er im eher wasserarmen Spanien fast doppelt so hoch liegt.

Wasser an falschen Stellen eingespart

Die deutsche Wassersparwut hat natürlich den Trockengebieten Afrikas nicht mehr Regen gebracht und hierzulande gar ein Wasserpreis-Paradox hervorgebracht: Denn weniger Verbrauch hat die Wasserrechnung kaum sinken lassen. Verbraucht das Volk weniger Wasser, fließt weniger Abwasser durch Rohre und Kanäle, was dort die Keimbildung fördert und die Korrosion auch.

Deshalb müssen die Wasserwerke kräftig spülen. Exzessives Wassersparen im privaten Haushalt macht also weder ökologisch noch ökonomisch Sinn, sofern nicht eine sommerliche Dürre – wie 2003 – die Talsperren SOS funken lässt und Flüsse in Rinnsale verwandelt.

Eher flüchtig im Wasser-Bewusstsein ist, obwohl WWF Deutschland und andere Umweltorganisationen regelmäßig darauf hinweisen, dass es auch unsichtbares Wasser gibt – „virtuelles“, sagen Forscher. Konkret vergeben sie je nach Nutzung Farben für das Süßwasser.

Grünes Wasser ist das, was abregnet, von Pflanzen aufgenommen wird und wieder verdunstet; blaues Wasser ist das, was der Mensch zur Herstellung für Produkte einsetzt (vom Computerchip bis zur Jeans), wozu auch die künstliche Bewässerung für Ganzjahres-Erdbeeren in Andalusien oder für Mandelbäume in Kalifornien gehört; graues Wasser ist Schmutzwasser, das bei der Produktion entsteht, sei es eines Autos oder einer Feldfrucht (es enthält dann etwa Pestizide und Dünger).

Das „Produktwasser“ lässt riesige virtuelle Wasserströme rund um den Globus entstehen und erstaunliche Wasserzahlen, wie sie jedem schon einmal begegnet sind: Dass der Bundesbürger beim Trinken einer Tasse Kaffee mehr Süßwasser (140 Liter) verbraucht als Leitungswasser pro Tag, gehört zu diesen verblüffenden Wassernews.

Versteckter Wasserverbrauch führt zu Wasserknappheit

Oder: 2800 Liter Süßwasser für ein 200-Gramm-Rindersteak. Oder: 2000 Liter für ein Baumwoll-T-Shirt. Jeder deutsche Einwohner verbraucht so täglich 3800 Liter. Das heißt im Fachjargon „Externer Wasserfußabdruck“. Es wäre effizienter, die globale Wassernot zu lindern, wenn Deutschland weniger über wassersparende Toilettenspülungen und Duschköpfe nachdächte als über seinen in Produkten versteckten Wasserimport.

Auf diese Weise fließt Wasser in ungeheurer Dimension, auch von Trocken- in Feuchtgebiete. Ein spektakuläres Beispiel ist der Aralsee (so groß wie Bayern): Ausgetrocknet vom Durst usbekischer Baumwoll-Plantagen, letztlich für T-Shirts und Jeans – für Exporterlöse. Andere Freveltaten spielen in Saudi-Arabien oder Libyen, wo Satellitenaufnahmen grüne Kreise in Wüsten zeigen – entstanden durch das Anzapfen fossiler Grundwasserspeicher in großem Stil. In Indien sind es wiederum die vielen kleinen Brunnen der Kleinbauern, die das endliche Süßwasser aus der Erdkruste verbrauchen, um Nahrung wachsen zu lassen. Auch unter den wuchernden Megacities sinkt der Grundwasserpegel im Zeitraffer.

Ohne Gesundheit keine Bildung

Anderswo, meist in Afrika, fehlt bereits das Wasser zum Trinken und Überleben von Mensch und Vieh. Es fällt schwer, sich in Deutschland ein Leben ohne den Wasserhahn vorzustellen, aus dem hygienisch unbedenkliches Wasser strömt. Neven Subotic, ein eher ungewöhnlicher Fußballprofi des 1. FC Köln, weiß, was das bedeutet. Er kann es auch kurz erklären: „Ohne einwandfreies Wasser keine Gesundheit und ohne Gesundheit keine Bildung.“

Kinder, die sechs Stunden pro Tag Wasser vom Brunnen heranschleppen müssen, haben keine Zeit für Schule, und wenn sie keimbelastetes Wasser trinken, werden sie krank. Oder sie sterben. Zwischen 1000 und 4000 Kinder unter fünf Jahren sterben pro Tag – mehr als an HIV/Aids – nicht durch Verdursten, sondern meist an „Wasser-Krankheiten“ wie Typhus, infektiöser Hepatitis oder Diarrhoe. Ursachen: mangelhafte Hygiene, verschmutztes Wasser oder mit Fäkalkeimen verunreinigte Nahrung.

Stiftung von Fußballer Neven Subotic

Deshalb hat der Fußballer Subotic eine Stiftung gegründet, die aus immer mehr wasserschleppenden Kindern Schüler machen soll. Bislang hat diese Graswurzel-Initiative nach eigenen Angaben 69 Projekte realisiert: „25 Brunnen in Gemeinden und 44 Brunnen inklusive Sanitäranlagen an Schulen gebaut.“ Vor allem in Eritrea und Äthiopien. Der Fußballtrainer Jürgen Klopp hat einmal über Subotic gesagt: „Bei Auswärtsfahrten liest er Bücher über Bohrtechnik, die anderen spielen Play-station.“

Es sind auch diese kleinen unbekannten Projekte, die in Dürregebieten die Wassernot lindern. Doch die Front ist lang: Mehr als 600 Millionen Menschen weltweit können von einem Wasserhahn, aus dem hygienisch Unbedenkliches fließt, nur träumen; für sie wäre Selters Sekt. Und immer noch verschwenden Bauern in der Dritten Welt Unmengen Wasser durch mittelalterliche Bewässerungstechniken. Das meiste Nass erreicht nicht die Pflanze, sondern verdunstet.

Süßwasser wird seit Jahren knapp

Dass Süßwasser weltweit knapp wird, ist keine neue Erkenntnis. Seit Jahrzehnten zeichnet sich ab, dass die industrielle und landwirtschaftliche Produktion immer mehr Wasser verbraucht, während gleichzeitig die Weltbevölkerung weiter wächst. 40 Prozent der weltweiten Nahrungserzeugung stammen von Agrarflächen, die künstlich bewässert sind. Aber Süßwasser ist auf dem Wasserplaneten Erde, so seltsam das klingt, eine rare Größe.

Eigentlich müsste unsere kosmische Heimstatt „Salzwasser-Planet“ heißen. Stellt man sich das Erdwasser als eine Badewannen-Füllung vor, wäre das Süßwasser darin nur ein halber Eimer, und davon wiederum der größte Teil gefroren (Gletscher, Polkappen). Letztlich ist von der „Badewanne“ nur ein Mini-Likörglas verfügbares Süßwasser. Das verdeutlicht, wie knapp die Ressource ist und warum die Vereinten Nationen seit 1993 den internationalen Weltwassertag am 22. März begehen – ein Tag im Jahr, der das Bewusstsein schärfen soll. Das hat nachhaltig noch nicht geklappt.

In diesem Jahr heißt das Motto „Abwasser – Eine ungenutzte Ressource“. Die Botschaft: Was knapp ist, darf nicht verschwendet werden. So könnte mehr Nahrung aus Abwasser entstehen. Gerade in den Trockenzonen ohne Flüsse wäre es eine Überlebenstechnik. Vor rund 40 Jahren war Windhuk in Namibia die erste Stadt der Welt, die über die Aufbereitung kommunaler Abwässer ihr Trinkwasserproblem löste.

Es ist eine Frage des geografischen Zufalls, ob ein Land wasserreich oder -arm ist. Dass es zudem dort am wärmsten und die Verdunstung hoch ist, wo es wenig regnet, kommt erschwerend hinzu. Nun verteilt der Klimawandel gerade den Regen neu. In manchem Landstrich Afrikas droht die Dürre zum Dauerzustand zu werden.

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