30 Jahre nach Ariane-4-Debüt Europas Raketenprogramm unter Druck

Paris · Die Ariane-4-Rakete war ein Durchbruch für Europas Raumfahrtindustrie. Drei Jahrzehnte nach dem Jungfernflug hat sich der Trägerraketenmarkt extrem beschleunigt - vor allem ein ehrgeiziger neuer Konkurrent bringt die Europäer ins Schwitzen.

 Frankreich, Französisch-Guayana: Die Rakete "Ariane 4" startet ins All.

Frankreich, Französisch-Guayana: Die Rakete "Ariane 4" startet ins All.

Foto: ESA/Archiv

Sie galt als Europas unermüdliches und extrem zuverlässiges Arbeitspferd für den Transport von Satelliten ins All: Vor 30 Jahren hob die Trägerrakete Ariane 4 erstmals ab. Eine europäische Erfolgsgeschichte.

Ihre Nachfolger stehen heute harter Konkurrenz gegenüber, neue Konkurrenten wirbeln den Markt auf - vor allem das aufstrebende US-amerikanische Raumfahrtunternehmen SpaceX von Tesla-Chef Elon Musk drückt die Preise. Der europäische Hersteller ArianeGroup macht deshalb ordentlich Druck und fordert baldige öffentliche Aufträge für den neuen Hoffnungsträger Ariane 6.

Welche Rolle spielte die Ariane 4 für Europas Raumfahrtindustrie?

"Sie hatte eine fundamentale Bedeutung", sagt der Chef der französischen Raumfahrtagentur Cnes, Jean-Yves Le Gall. Er war am Tag des ersten Starts am 15. Juni 1988 selbst in Französisch-Guyana in Südamerika, wo die Ariane-Raketen vom Weltraumbahnhof Kourou in den Himmel donnern. Noch heute erinnert sich Le Gall an die "unbeschreibliche Freude". Die Ariane 4 wurde ein riesen Erfolg für die europäische Raumfahrt und sicherte ihr eine Vormachtstellung beim Transport kommerzieller Satelliten.

Die erste Ariane-Rakete war 1979 gestartet. Die Modelle Ariane 1, 2 und 3 konnten aber nur vergleichsweise leichte Fracht transportieren. Sie kamen zusammen auf 28 Starts. Ihr Nachfolger Ariane 4 konnte dann eine Nutzlast von bis zu fast fünf Tonnen ins All bringen.

Wie sieht die Bilanz der Ariane 4 aus - und kann der Nachfolger Ariane 5 mithalten?

Die Ariane 4 kam bis zu ihrer letzten Mission im Jahr 2003 auf 116 Starts, darunter nur drei Fehlschläge. Ihr Nachfolger Ariane 5 begann mit einem Drama: Bei ihrem Erstflug kam die Rakete 1996 vom Kurs ab und explodierte über dem Südatlantik. Einige Jahre später musste eine neue Version mit einer Nutzlast von nun zehn Tonnen kurz nach dem Start gesprengt werden - mit einem wertvollen Satelliten an Bord.

Inzwischen hat sich aber auch die Ariane 5 längst einen guten Ruf erarbeitet. Sie hat mehr als 200 Satelliten ins All gebracht, und mit 82 erfolgreichen Starts in Serie überholte sie den Rekord ihrer Vorgängerin. Allerdings wurde diese Erfolgsserie im Januar unterbrochen, als eine Rakete von ihrer Flugbahn abwich. Die transportierten Satelliten gingen dadurch aber nicht verloren.

Wie steht Europa im Raketenmarkt heute da?

Im kommerziellen Markt - also bei Aufträgen, die nicht von staatlichen Institutionen stammen - ist Europa nach wie vor stark. Bei großen Telekommunikationssatelliten hatte der europäische Raketenbetreiber Arianespace nach eigenen Angaben auch 2017 die Nase vorn. Doch SpaceX gewinnt an Bedeutung, das junge amerikanische Unternehmen zog im vergangenen Jahr bei der Zahl der Starts an Arianespace vorbei. Die Firma bietet Starts günstiger an als die Europäer. Die Europäische Weltraumorganisation (Esa) lässt deshalb von der ArianeGroup die Ariane 6 entwickeln, die deutlich billiger sein soll.

Warum pocht ArianeGroup auf öffentliche Aufträge für die neue Rakete?

Der Hersteller beschwert sich schon länger, dass SpaceX von US-amerikanischen Staatsaufträge profitiere, die den Europäern verwehrt seien, und bei denen SpaceX deutlich mehr Geld nehme als bei europäischen Kunden. Um gegenhalten zu können, fordert der Konzern ein Mindestmaß an Zusagen für institutionelle Aufträge aus Europa, etwa für Forschungsmissionen, Regierungssatelliten oder Satelliten des europäischen Navigationssystems Galileo. Die Ariane 6 soll 2020 das erste Mal starten, bislang liegt neben dem Premierenflug aber nur eine Bestellung der EU-Kommission für zwei Starts vor.

"Wir brauchen insgesamt sieben Verträge für garantierte Starts. Bis Ende Juni", sagte ArianeGroup-Chef Alain Charmeau kürzlich dem Nachrichtenmagazin "Spiegel". "Ohne Verträge müssten wir die Produktion anhalten." Esa-Chef Jan Wörner sieht ein solches Ultimatum kritisch: "Ich glaube, Drohgebärden sind nicht hilfreich", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Man arbeite daran, so viele Zusagen wie möglich zu bekommen. Für Esa-Missionen würden wo immer es geht europäische Raketen eingesetzt. Mit der Europäischen Union, die für Galileo und das Erdbeobachtungsprogramm "Copernicus" verantwortlicht ist, gebe es intensive Gespräche. "Wir sind auf einem guten Weg."

Kann Europa dem Wettbewerb standhalten?

"Im Vergleich zu vor 30 Jahren geht heute alles viel schneller", sagt Frankreichs Raumfahrtagenturchef Le Gall. Man müsse weiter in Innovation investieren. In jedem Fall hat Europa einiges in die Wege geleitet, um sich zu behaupten. Die Trägerraketen-Industrie wurde mit der Gründung von ArianeGroup als Gemeinschaftsunternehmen von Airbus und dem Triebwerkshersteller Safran neu organisiert. Die weitgehend auf Staatskosten entwickelte Ariane 6, deren Oberstufe in Bremen entsteht, soll bis um die Hälfte günstiger sein als ihre Vorgängerin. Ob das reicht, wird sich zeigen.

Esa-Generaldirektor Wörner sagt: "Ich glaube, dass Europa genug Gehirn hat, dass wir auch in Zukunft leistungs- und wettbewerbsfähige Raketen haben." Er hebt hervor, dass der Preis nicht das einzige Kriterium sei - Zuverlässigkeit sei auch ein Argument im Wettbewerb. Und letztlich gehe es wie damals bei der Entwicklung der ersten Ariane-Raketen um einen eigenständigen Zugang Europas zum Weltraum.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort