Bonner Wissenschaftler erforschen Sprache der Pflanzen

Warnungen durch Duftstoffe - Hilfe aus Reich der Tiere und Bakterien

Bonner Wissenschaftler erforschen Sprache der Pflanzen
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Bonn. Sie schreien lautlos, aber effektiv: Wenn Maiswurzeln von räuberischen Käferlarven befallen werden, senden sie spezielle Duftstoffe aus, mit denen sie ein Heer von Fadenwürmern herbeirufen. Die befallen dann die Larven und töten sie. Andere Pflanzenarten holen sich dagegen eine Art Nahrungslieferservice herbei: Sie locken Bakterien an, die in ihre Wurzeln eindringen und die Pflanze zusätzlich mit Nitrat versorgen.

Pflanzen sind Kommunikationsprofis. Sie nehmen unterschiedlichste Umwelteinflüsse wahr, werten sie aus und reagieren darauf. Wie und warum, erforscht Frantisek Baluska, Wissenschaftler am Institut für Zelluläre und Molekulare Botanik an der Universität Bonn, gemeinsam mit einem internationalen Forscherteam. "Pflanzenkommunikation wird stark unterschätzt, darin steckt jedoch großes Potenzial", sagt Baluska. "Die Wurzeln sind dabei das “Gehirn„, das Kommunikationszentrum von Pflanzen."

Sie sind ständig aktiv, können sich überall hin bewegen, nehmen dafür laufend Informationen auf und verarbeiten sie. So nutzen Pflanzen Düfte, um andere zu warnen. "Es werden chemische Substanzen ausgestoßen, die benachbarten Gewächsen signalisieren, dass der Sender beschädigt oder befallen ist", so der Zellbiologe. "Die Gewarnten aktivieren dann eine Art Immunsystem."

Dieses System funktioniere auch innerhalb einer Pflanze von Blatt zu Blatt. Wurzeln bilden sogar Zweckgemeinschaften. Fast alle Baumarten leben in Symbiose mit einem Pilz, der für sie die Nährstoffaufnahme übernimmt. Er wird durch Stoffe, die die Wurzeln aussenden, angelockt. Baluska: "Die Wurzeln der Bäume bilden mit Hilfe dieser Pilze Netzwerke." Dadurch werden zum Beispiel kleinere Bäume, die wenig Nährstoffe erhalten, von den anderen mit ernährt.

Kommunikation ist also eine Überlebensstrategie. Die Wurzeln scannen den Boden unermüdlich ab. Sie meiden giftige oder trockene Bereiche und wachsen zu den Stellen hin, die ausreichend Nahrung, Wasser und Salze bieten. Sie nehmen dabei auch wahr, ob sie auf einen Artgenossen oder eine andere Pflanzenart stoßen. Baluska: "Einige Wurzeln verhalten sich dann parasitär, docken an die Wurzeln anderer Pflanzen an und saugen sie aus wie ein Vampir."

Pflanzen haben ein breites Spektrum an Sinneswahrnehmung. "Sie hören die menschliche Stimme. Die Wurzeln reagieren empfindlicher auf mechanische Reize als das menschliche Ohr", sagt Baluska. "Und sie fühlen - Erbsenkeimlinge wachsen, wenn sie regelmäßig gestreichelt werden, eher klein und buschig."

Die Vielfalt pflanzlicher Kommunikation deutet laut Baluska auf eine gewisse Intelligenz hin. "Pflanzen haben Informationen über ihre Umwelt, eine Art Gedächtnis." Doch Intelligenz sei bei Pflanzen natürlich etwas ganz anderes als bei Menschen oder Tieren. "Sie ist eher eine Form der Problemlösung, die die Pflanzen im Laufe der Zeit optimiert haben." Man wisse aber nicht, inwieweit sie diese Prozesse "bewusst" auslösen, oder ob sie nur auf Reize reagieren. Baluska: "Wahrscheinlich handeln Pflanzen aber eher aktiv. Denn sie reagieren sehr schnell auf neue, unbekannte Situationen, sind lernfähig und verbessern ihre Reaktion auf Stresssituationen."

Die Erforschung der pflanzlichen Kommunikation, die Pflanzliche Neurobiologie, stecke noch in den Kinderschuhen. "Lange Zeit hat sich dieses Forschungsgebiet im Fahrwasser der Esoterik bewegt", meint Baluska. "Da wollen wir es rausholen und auf ein solides wissenschaftliches Fundament setzen." Deshalb hat er 2005 die "Society for plant neurobiology" mitbegründet und die Zeitschrift "Plant Signaling & Behavior" ins Leben gerufen.

"Es ist wichtig zu verstehen, wie diese Kommunikation funktioniert. Dann können wir Pflanzen noch besser kultivieren und nutzbar machen", erklärt Baluska. Pflanzen könnten ohne Menschen oder Tiere leben. "Darüber haben sie im Laufe der Evolution viele Informationen gespeichert", sagt der Zellbiologe. "Entschlüsseln wir ihre Sprache, erfahren wir mehr über diese Kunst des Überlebens."

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