Welttag der Humanitären Hilfe Zwei Bonnerinnen arbeiten für Welthungerhilfe im Krieg

BONN · Menschliche Hilfe statt Hörsaal: Jessica Kühnle und Alina Behrens sind für die Welthungerhilfe an der türkisch-syrischen Grenze und in Burkina Faso unterwegs.

Manchmal – das weiß Jessica Kühnle aus Erfahrung – genügen so simple Dinge wie ein Block und ein Stift, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die nach allem, was sie erlebt haben, keinerlei Grund hätten, noch irgendjemandem zu vertrauen. Dann tun sie es doch und beginnen ihre Geschichte zu erzählen; Menschen, deren durch Gewalt und Flucht bestimmtes Schicksal viel zu lange ignoriert wurde und die es verdienen, auch über die Grenzen eines Flüchtlingscamps hinaus gehört zu werden.

Jessica Kühnle ist als Kommunikationsbeauftragte der Welthungerhilfe für die Türkei, Syrien, den Libanon und den Irak unterwegs. In Krisengebieten, in denen humanitäre Hilfe durch Angriffe und Entführungen mitunter auch zum persönlichen Risiko werden kann. Daran erinnert die in Bonn ansässige Welthungerhilfe jedes Jahr am 19. August. Der „World Humanitarian Day“ wurde 2003 als Reaktion auf den Terroranschlag auf das UN-Hauptquartier in Bagdad ins Leben gerufen, bei dem damals 22 Menschen starben. Und 2019 ist der Fokus auf die Arbeit der Helferinnen gerichtet.

Jessica Kühnle beispielsweise lebt seit November 2018 in der südanatolischen Stadt Gaziantep, im Grenzgebiet zu Syrien. Und im September und Oktober wird sie auch wieder im Nordirak unterwegs sein. „Es ist natürlich wichtig, Risiken zu kennen und nicht leichtsinnig zu sein“, sagt die 31-Jährige. „Unsere Sicherheitsberater unterrichten uns regelmäßig über aktuelle Geschehnisse und Vorfälle in den Projektgebieten.“ Sie selbst jedenfalls denke nicht allzu sehr darüber nach. „Ich gehe dorthin, wo meine Arbeit gebraucht wird und wo Menschen sich in Not befinden“, sagt Kühnle.

Dass sie später einmal gern im Ausland arbeiten würde, war ihr bereits als Schülerin klar. Zwar habe sie zunächst keine konkrete Vorstellungen davon gehabt, wie genau diese Arbeit aussehen könnte. Doch sie wurden konkret, seit sie – anfangs als studentische Aushilfe – bei der Welthungerhilfe zu arbeiten begann.

Jessica Kühnle hat an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Asienwissenschaften studiert und im Oktober 2017 mit einem berufsbegleitenden Masterstudium im Bereich Katastrophenvorsorge und -management (KaVoMa) begonnen, das die Universität in Kooperation mit dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe anbietet.

„Ich sprach mit geflüchteten Rohyinga über ihre Erlebnisse“

Mit Block, Stift und Kamera ist sie seit 2015 unterwegs, um darauf aufmerksam zu machen, „was von Krisen und Katastrophen betroffene Menschen erleiden; was es bedeutet, auf der Flucht zu sein“. Sie hat auch schon aus Bangladesch, Kambodscha und Myanmar berichtet. Besonders berührt habe sie dabei ein Aufenthalt in dem bengalischen Fischerdorf Cox’s Bazar während der Flüchtlingskatstrophe 2017. „Ich sprach mit geflüchteten Rohyinga-Familien über ihre schrecklichen Erlebnisse in Myanmar und ihre beschwerliche sowie gefährliche Flucht nach Bangladesch.“

Es gebe, so Kühnle, aber auch immer wieder Beispiele, die Mut machen: „In Rabia, im Nordwesten vom Irak, habe ich eine großartige Frau getroffen. Sie und ihre Familie flohen, kurz bevor die Kämpfer des IS die Stadt überfielen und alles in Schutt und Asche legten.“ Nach der Befreiung des Irak kehrte sie mit ihrer Familie wieder in ihre Heimat zurück und baute sich mit Unterstützung der Welthungerhilfe eine neue wirtschaftliche Existenz auf.

„In Katastrophen und Konflikten sind Frauen und Mädchen oft stärker betroffen als Männer. Dennoch werden ihre Bedürfnisse übersehen“, beklagt Kühnle. „Frauen und Mädchen auf der Flucht und in Krisengebieten stehen vor Barrieren, die es verhindern, ihre Familien ausreichend zu versorgen.“ In einigen Gesellschaften erschweren zudem traditionelle Rollenbilder Männern den Zugang zu den bedürftigen Frauen und Mädchen, so dass es für Helferinnen oftmals einfacher sei, mit ihnen in Kontakt zu kommen.

Burkina Faso leidet unter der Klimakrise

Erfahrungen, die auch Alina Behrens bei ihrer Tätigkeit für die Welthungerhilfe gemacht hat. Sie lebt und arbeitet im westafrikanischen Burkina Faso. Und sie ist überzeugt davon, dass vor allem die Qualitäten von Frauen dort dringend gebraucht werden. „Sie sind häufig selbstloser als Männer und verfolgen ihre Arbeit mit mehr Biss. Mit Empathie und Zuneigung treten sie den Menschen entgegen und hören zu.“ Wichtig sei, die Sorgen der Frauen zu verstehen lernen und einen Weg zu finden, darauf einzugehen, ohne traditionelle Verflechtungen brüsk zu brechen.

Als sie 2012 das erste Mal dort gewesen sei, so Behrens, habe sie direkt eine enge Verbundenheit zu den Menschen verspürt. Und zugleich gesehen, woran es ihnen fehlte: Schulbildung, medizinische Versorgung, ausreichende Ernährung. Noch dazu leide die Sahelregion immer intensiver unter Klimaextremen, wie Dürren, Starkregen und Überschwemmung.

„Heute“, sagt Behrens, sehe die Situation anders aus als vor einem Jahr. Attacken von radikalisierten Gruppen häuften sich, die Zahl der innerhalb des Landes Vertriebenen nehme stetig zu. „Wir können weniger frei im Land reisen und verbringen viele Tage in der Hauptstadt Ouagadougou, die uns wie eine kleine sichere Insel vorkommt.“ Wenn man das Land kenne, sei es traurig, zu wissen, dass so viele Menschen unter den Attacken und ethnischen Konflikten zu leiden hätten. „Burkina Faso ist eigentlich für seine ethnische Toleranz und als ruhiges Land in der Sahelregion bekannt.“

Weitere Helferinnen äußern sich hier zum Welttag der Humanitären Hilfe.

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