Bonner Exzellenzforschung Weltweiter Austausch unter Mathematikern in Bonn

Bonn · Das Hausdorff Center for Mathematics setzt bei Studenten und Dozenten auf Internationalität. Im September wurde die Exzellenzförderung verlängert. Weitere sieben Jahre ist das Cluster gesichert.

Im Hausdorff Center for Mathematics (HCM) treffen renommierte Professoren, Studenten aus der ganzen Welt und jede Menge spezifischer Teilgebiete der Mathematik zusammen. Das HCM ist eine Forschungseinrichtung in Bonn, getragen wird sie von den vier mathematischen Instituten der Universität Bonn, dem Max-Planck-Institut für Mathematik und einer Gruppe von mathematisch orientierten Forschern am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften.

Im Zuge der Exzellenzinitiative (inzwischen heißt sie „-strategie“) des Bundes und der Länder zur Förderung von Wissenschaft und Forschung an deutschen Hochschulen wurde das HCM als sogenanntes Exzellenzcluster gegründet und 2012 um einen zweiten Förderzeitraum verlängert. Im September des vergangenen Jahres kam, wie berichtet, eine weitere gute Nachricht: Auch in den kommenden sieben Jahren wird das Cluster HCM gefördert. Benannt wurde es nach dem berühmten Mathematiker Felix Hausdorff, der von 1910 bis 1913 und später noch einmal von 1921 bis 1935 an der Universität Bonn gearbeitet hat, bevor er 1942 von den Nationalsozialisten in den Selbstmord getrieben wurde.

Sprecher des Hausdorff Centers ist Karl-Theodor Sturm. Er möchte mit dem HCM in Deutschland ein „weltweit führendes Zentrum mathematischer Spitzenforschung etablieren“. Ziel sei es weiterhin, die mathematischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu identifizieren und anzugehen, weltweit richtungsweisende Grundlagenforschung voranzutreiben und die von Wissenschaft und Gesellschaft benötigten mathematischen Methoden und Werkzeuge zu entwickeln.

Auch Fields-Medaillist Peter Scholze arbeitet hier

Besonders freut sich Sturm über das Team aus international herausragenden Wissenschaftlern, unter ihnen Peter Scholze, der, wie berichtet, 2018 mit der Fields-Medaille geehrt wurde. „Dass wir Peter Scholze bei uns in Bonn halten konnten, obwohl er viele andere attraktive Angebote bekommen hat, ist für uns ein tolles Zeichen“, findet der Mathematiker.

Das Hausdorff Center übernehme außerdem eine Vorreiterrolle bei der Förderung junger Mathematiker und baue ein globales Netzwerk mit einigen der weltweit besten Forschungs- und Ausbildungszentren in Mathematik auf: „Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am HCM arbeiten an den mathematischen Grundlagen für die Quantenphysik, erstellen Modelle zu wirtschaftlichen Mechanismen und verbessern unser Verständnis intelligenter Materialien“, führt Sturm aus. Die Ergebnisse der Forschungen finden beispielsweise Anwendung im industriellen Design von Computer-Chips oder bei der Verbesserung von medizinischen Therapie-ansätzen.

Viele Gebiete werden gemeinsam mit den Nachbarwissenschaften, wie den Lebenswissenschaften, den Materialwissenschaften und der Informatik, erforscht. Barbara Niethammer, Direktorin der Bonn International Graduate School of Mathematics (BIGS), nennt als weiteres Beispiel das „Traveling Salesperson Problem“ – zu Deutsch das „Problem des Handlungsreisenden“. Bei diesem Optimierungsproblem wirkt die theoretische Informatik mit.

Die Aufgabe besteht darin, eine Reihenfolge für den Besuch mehrerer Orte so zu wählen, dass die Gesamtstrecke so klein wie möglich ist. Um solche Wege berechnen zu können, braucht es neue Algorithmen, die von Mathematikern und Informatikern konstruiert werden. So konnte etwa das Unternehmen DHL von den Forschungen der Bonner Mathematiker und Informatiker profitieren und Wege optimieren. Das Cluster helfe laut Sturm einerseits mit finanziellen Mitteln, andererseits bei der internationalen Sichtbarkeit.

„Wir möchten weiterhin, dass die Uni Bonn ein attraktiver Arbeitgeber ist“, sagt Sturm. Mittlerweile habe die Hälfte der Mathematikprofessoren an seinem Institut einen internationalen Pass, im Vergleich seien es bundesweit keine 15 Prozent. Durch die Rekrutierung von Spitzenkräften aus allen Teilen der Welt bliebe man weiterhin konkurrenzfähig.

In den Pausen unterhält man sich auf Englisch

Die hohe Internationalität ist bereits im Studium ersichtlich. „Das Masterstudium wird auf Englisch angeboten, und fast die Hälfte aller Masterstudierenden kommt aus dem Ausland“, so Niethammer, und auch Sturm bestätigt: „Selbst in den Pausen unterhalten wir uns meist auf Englisch, damit niemand ausgeschlossen wird.“

Die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses hat sich das HCM auf die Fahne geschrieben und mit der Hausdorff School for Advanced Studies in Mathematics ein Programm zur Förderung von Postdoktoranden aus der ganzen Welt entworfen. Bis zu zehnmal jährlich sollen dort künftig wissenschaftliche Kompaktprogramme in Form von Sommer- oder Winterschulen stattfinden. Zuvor greift die BIGS und unterstützt die Ausbildung der Doktoranden.

Dank des GlobalMathNetworks können internationale Kontakte weiter gestärkt werden – zu den Kooperationspartnern gehören das Courant Institute in New York, die École Normale Supérieure in Paris sowie die Universitäten in Kyoto und Peking. So könnten Teilnehmer während ihrer Promotion mehrere Monate im Ausland verbringen. International langfristige Forschungsprogramme organisiert das Hausdorff Research Institute for Mathematics und fördert den Austausch von Mathematikern aus der ganzen Welt.

„Ein zentraler Bestandteil zum Vorantreiben der vielfältigen Anwendungen und des innermathematischen Erkenntnisgewinns ist der unmittelbare, direkte Austausch mit anderen führenden Expertinnen und Experten, insbesondere eben auch über neue Ideen und innovative, noch nicht ausgearbeitete Ansätze“, fasst es Sturm zusammen.

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