Projekt zur Digitalisierung an der Uni Bonn Von der Teilhabe bis zu den Fake News

BONN · Das Schlagwort Digitalisierung steht wie kein anderes für die tiefgreifenden Umwälzungen, die nahezu alle Bereiche der modernen Gesellschaften erfassen. Bonner Medienwissenschaftler koordinieren nun ein NRW-weites Projekt über die Aspekte des digitalen Wandels.

 Die Allgegenwärtigkeit des Smartphones ist ein Sinnbild der Digitalisierung des Alltags in der Gegenwart.

Die Allgegenwärtigkeit des Smartphones ist ein Sinnbild der Digitalisierung des Alltags in der Gegenwart.

Foto: AFP

Digitalisierung – dieses Schlagwort steht wie kein anderes für die tiefgreifenden Umwälzungen, die nahezu alle Bereiche der modernen Gesellschaften erfassen und vor allem noch erfassen werden. Gleichzeitig ist vieles im Vagen, schwer greifbar und noch nicht einmal in Ansätzen vorhersehbar – die Digitalisierung ist auch mit großer Unsicherheit verbunden, weil sie auf vielerlei Ebenen gleichzeitig abläuft und sowohl unaufhaltbar und in ihrer Gesamtheit ebenso schwer kontrollierbar erscheint. Das macht sie gleichzeitig aber auch zu einem hochinteressanten Gegenstand für die Wissenschaft.

Dies hatte die frühere rot-grüne Landesregierung veranlasst, ein Forschungsprogramm anzustoßen, das Digitalisierung auf drei Ebenen untersuchen soll: IT-Sicherheit, digitale Medizin und digitale Gesellschaft. Und weil das Thema natürlich regierungsübergreifend von Bedeutung ist, stehen allein für den letztgenannten Punkt knapp zehn Millionen Euro für fünf Jahre zur Verfügung. Gearbeitet wird in Form eines Forschungs-verbunds, der aus zwölf NRW-Hochschulen besteht (siehe Infokasten). Koordiniert wird das Ganze in Bonn in der Abteilung Medienwissenschaft von Professorin Caja Thimm, die als Sprecherin fungiert.

„Das Projekt richtet den Fokus auf den Aspekt Stärkung und Sicherung der Demokratie in der digitalen Gesellschaft“, sagt Dr. Mario Anastasiadis, der wissenschaftliche Koordinator des Vor-habens. „Die Projekte brauchen einen gemeinsamen Rahmen, der wissenschaftlich begründet ist. Ich setze inhaltliche Impulse und stelle sicher, dass etwa bei Veranstaltungen immer eine Rückbindung an das Oberthema gewährleistet ist.“ Das Ziel ist (neben zählbaren Ergebnissen in Form von Promotionen), die großen Herausforderungen der Digitalisierung besser zu verstehen.

Digitale Medien sind ein machtvoller Akteur geworden

„Es gibt Phänomene, etwa die sozialen Medien, die sich stark auf Politik, Gesellschaft und Institutionen auswirken. Wie verhalten sich Akteure in einer Diskurskultur unter digitalen Vorzeichen?“, fragt Anastasiadis. „Digitale Medien sind ein machtvoller Akteur geworden. Die Versprechen von mehr Teilhabe und Demokratisierung durch das Internet haben sich nur teilweise bewahrheitet. Unsere Forschung wird das begleiten.“ Dementsprechend gibt es beispielsweise Projekte zum Thema Hatespeech, Fake News, oder zum politikbezogenen Nutzerverhalten im Netz.

„Unser Anspruch ist es, gut begründete Forschung zu leisten, um die genannten Phänomene besser verstehen zu können. Die Ergebnisse sollen auch der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, etwa auf Veranstaltungen, um diskutiert werden zu können“; sagt Anastasiadis. Auch die Politik könne natürlich davon profitieren.

Nicht nur die Gesamtkoordination des Projekts liegt in Bonn, sondern auch eines der Forschungsprojekte: „Ethik und Verantwortung in der digitalen Gesellschaft: Datenpraktiken in Verwaltung und Journalismus“ heißt das Thema einer Doktorandin der Uni Bonn, das zugleich von einer Kollegin der Universität Duisburg-Essen behandelt wird, die sich einem anderen Teilaspekt widmet. Tandem-Promotion nennt sich dieses Vorgehen.

Hochschultypen rücken näher zusammen

„Die Projekte sind dezentral angesiedelt, schlagen auf diese Weise aber Brücken zwischen den einzelnen Hochschulen“, sagt Anastasiadis. Er sieht auch die Beteiligung der Fachhochschulen positiv: „Auf diese Weise rücken beide Hochschultypen etwas näher zusammen.“ Ohnehin komme es nicht oft vor, dass es Unterfangen dieser Größenordnung in den Sozial- oder Geisteswissenschaften gibt.

Im Gegensatz zu Fachbereichen wie Biologie oder Medizin, in denen viel Fördergeld für die Anschaffung von Geräten genutzt wird, fließen die Landesmittel hier vor allem in Personal, in Reisen oder auch in internationale Lektorate, damit die Ergebnisse vor allem auch auf Englisch publiziert werden können. Zudem soll es Veranstaltungen geben, um den Austausch der Beteiligten, den Wissenstransfer, zu ermöglichen.

Am kommenden Mittwoch ist die erste konstituierende Sitzung aller Beteiligten geplant, abends wird der offizielle Beginn der Förderlinie mit einem großen Festakt gefeiert – ganz analog.

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