Kneipe "Baracke" in Remagen Mehr Praxis geht nicht

REMAGEN · Buchführung, Lagerhaltung, Personalpläne: In Remagen betreiben Studenten eine Kneipe und sorgen so dafür, dass sich einige ihrer Kommilitonen abends oder an Wochenenden nicht mehr auf nach Bonn, Köln oder Koblenz machen.

 Bevor die „Baracke“ öffnet, bleibt noch Zeit für eine Runde Kicker.

Bevor die „Baracke“ öffnet, bleibt noch Zeit für eine Runde Kicker.

Foto: Martin Gausmann

Fachhochschulen bieten ihren Studierenden nicht selten erstklassige Arbeitsbedingungen, außergewöhnliche, zukunftsträchtige Fächer, eine praxisorientierte Ausbildung und dank der überschaubaren Größe eine persönliche Atmosphäre, wie sie an großen Universitäten oft vermisst wird. So weit, so gut.

Doch nach der Arbeit kommt das Vergnügen, und da sind die FH-Standorte gegenüber den großen Universitätsstädten deutlich im Nachteil. Ob Sankt Augustin, Rheinbach, Bad Honnef, Remagen oder Alfter: So attraktiv diese Wohnorte für Familien und für Menschen im mittleren bis fortgeschrittenen Alter auch sind – für junge Leute zwischen 20 und 30, die nun mal gern die Nacht zum Tag machen, ist das tiefste Provinz. Die Folge: Die meisten FH-Studierenden machen sich abends oder an Wochenenden auf nach Bonn, Köln oder Koblenz.

In Remagen verhält sich das inzwischen etwas anders. Der schicke, moderne Gebäudekomplex des RheinAhrCampus steht zwar weitab vom städtischen Leben auf der grünen Wiese an der südlichen Peripherie der Kernstadt; Fuchs und Hase sagen sich dort Gute Nacht, sobald abends die letzten Lichter verloschen sind. Aber mitten in der Fußgängerzone, mit dem Fahrrad bequem zu erreichen, im angemieteten Erdgeschoss eines ehemaligen Hotels, bietet der „Studierendentreffpunkt Baracke“ die Möglichkeit, nach der alltäglichen Büffelei mit Kommilitonen anderer Fächer oder anderer Semester ins Gespräch zu kommen.

Seit Jahresbeginn managen die drei Studenten und Asta-Mitglieder Merlin Herrmann (24, Sportmanagement), Robert Schmidt (23, Sportmanagement) und Tobias Maier (20, Biomathematik) den Laden, der im Oktober 2014 vom Asta eröffnet wurde und ganz offiziell bei der Stadt als Gaststättengewerbe angemeldet ist. Auf ihrer Mitarbeiterliste stehen 50 ehrenamtliche studentische Helfer, die nur fürs Trinkgeld (und natürlich, weil's ihnen Spaß macht und sie das Projekt unterstützen wollen) Thekendienste übernehmen – mehr oder weniger häufig, je nach persönlichem Zeitbudget.

Die Baracke ist aber vom Konzept her weit mehr als eine konventionelle Kneipe. In den drei Räumen warten auf die Besucher jede Menge Brettspiele, eine Dartscheibe, ein Kicker, eine gemütliche Lounge mit Sofas und außerdem eine große Leinwand, auf der alle wichtigen Fußballspiele via Sky gezeigt werden. Auch die moderaten Preise sind auf die Geldbeutel des studentischen Publikums abgestimmt.

Einkauf, Lagerhaltung, Buchführung, Personalplanung, Event-Organisation – alles regeln die drei studentischen Manager selbst. Mehr Praxis geht nicht. „Es ist ein Unterschied, ob man Buchführung als Semester-Modul belegt oder hier real dafür verantwortlich ist“, sagt Robert Schmidt. Und Merlin Herrmann ergänzt: „Uns ist schon klar, dass wir durch die Zeit, die wir hier reinstecken, bis zum Examen gut und gerne ein Semester länger brauchen. Dafür steht aber dann später in unserem Lebenslauf, dass wir schon als Studenten ein Unternehmen gemanagt haben. Wer kann das schon in seine Bewerbung schreiben?“

Ein Unternehmen übrigens, das keine roten Zahlen schreibt, trotz der günstigen Preise, der Miete und der Anfangsinvestition in Renovierung und Ausstattung. Die drei Manager sind dankbar, dass ihnen einer der Professoren als erfahrener Steuerberater zur Seite steht: Torsten Wengel, Diplom-Kaufmann und promovierter Wirtschaftswissenschaftler.

„Wir wollen nicht nur einen Treffpunkt für Studierende bieten, sondern auch einen Begegnungsort für Studenten mit Remagener Bürgern“, sagt Robert Schmidt. Das funktioniert manchmal – manchmal auch nicht. Die „Baracke“ organisierte schon Tanzabende, Seniorennachmittage zusammen mit der Caritas und zwei Mal pro Monat das „Café International“, ein Programm für Asylbewerber.

Noch frisch ist die verhängte Sperrstunde um 1 Uhr – nachdem sich Anwohner bei den Behörden über nächtlichen Lärm beschwert hatten. Deshalb wandten sich die drei Manager jetzt mit einem eindringlichen Appell via Mail und Facebook an die 2800 Studierenden, doch bitte nicht draußen vor der Tür in Gruppen zu palavern und den Heimweg möglichst leise anzutreten – in der Hoffnung, dass der Appell Ergebnisse zeitigt und die Anwohner friedlich stimmt.

Weitere Infos im Internet unter: www.baracke-remagen.de

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