Symposium zum Apnoetauchen Medizin soll das Freitauchen sicherer machen

BONN · Wissenschaftler und Athleten diskutieren auf einem bundesweit einzigartigen Symposium in Bonn den Stand der Forschung und müssen dabei einige Differenzen überwinden.

 Faszination Apnoetauchen: Immer mehr Breitensportler dringen – wie dieser Athlet im Kreidesee Hemmoor bei Cuxhaven – in Tiefen vor, die noch vor wenigen Jahren der Weltelite vorbehalten waren.

Faszination Apnoetauchen: Immer mehr Breitensportler dringen – wie dieser Athlet im Kreidesee Hemmoor bei Cuxhaven – in Tiefen vor, die noch vor wenigen Jahren der Weltelite vorbehalten waren.

Foto: Julian Mühlenhaus

So etwas hatten wohl die Wenigsten jemals gesehen: Der kleine Film zeigt, wie es im MRT aussieht, wenn ein trainierter Freitaucher so tief wie möglich einatmet. Langsam füllt sich der gesamte Brustraum des Probanden mit Luft: „Das geht bis ins Steißbein“, erläuterte Professor Kay Tetzlaff den Zuhörern im komplett gefüllten Auditorium im großen Hörsaal des Biomedizinischen Zentrums auf dem Venusberg. Da sei Luft an Stellen zu sehen, an denen er es sich niemals habe vorstellen können.

Allerdings schauten die Taucher und Mediziner nicht irgendjemandem beim Atmen zu: Das sei die Lunge von Andreas Falkenroth, einem der Stars der deutschen Szene, erläuterte der Tauchmediziner vom Institut für Sportwissenschaft am Uniklinikum Tübingen. Auch die Atemtechnik ist eine ganz besondere: Beim sogenannten Packing wird nach dem eigentlichen Atemzug noch zusätzliche Luft in die Lungen gepresst.

Auf Einladung des Vorstands der Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin sowie von Lars Eichhorn, angehender Facharzt für Anästhesie an der Bonner Uniklinik, diskutierten Mediziner und Freitaucher den Erkenntnisfortschritt in einem Sport, „über dessen physiologische Grundlagen wir immer noch erschreckend wenig wissen“, wie es Eichhorn in seiner Einführung formulierte.

Spannungen in der Szene

Die Kernbotschaft der Veranstaltung brachte Professor Claus-Martin Muth auf den Punkt: „Wir wollen euch euren Sport nicht madig machen, sondern euch dabei helfen, dass ihr ihn so sicher wie möglich ausüben könnt.“ Denn das Verhältnis der Mediziner – von denen viele, wie Eichhorn, auch selbst Freitaucher sind – und dem Rest der Szene war nicht immer ganz frei von Spannungen: Man wolle ihnen ihren schönen Sport kaputtreden, war von manchen Apnoeisten zu hören, als vor einigen Jahren neuere Erkenntnisse den Schluss nahelegten, dass der Trendsport durchaus ein größeres Gefahrenpotenzial berge, als bislang angenommen.

Viele „Breitensportler“ erreichen heute Tiefen, die noch vor einigen Jahren weltrekordverdächtig gewesen wären: „Und wir reden hier nicht nur von einem Herbert Nitsch oder ähnlichen Rekordjägern“, sagte Eichhorn. Der Österreicher tauchte bis zu seinem spektakulären Unfall vor zwei Jahren, der ihn in eine Tiefe von 249,5 Metern geführt hatte, in der umstrittenen Disziplin „No Limits“. „Nein, wir sprechen hier von ganz normalen Freizeitsportlern, die vielfach an der 50-Meter-Grenze kratzen oder sie bereits durchbrochen haben.“

Die Quintessenz ihrer Erkenntnisse sei, dass sie das Freitauchen nur herzgesunden Menschen empfehlen könnten, sind sich die Mediziner einig. Zwar sei der gesamte Körper – wie man an dem eingangs erwähnten Film der Lunge sehen könne – bei den Tauchgängen extremen Belastungen ausgesetzt. „Aber vom Herzen wissen wir, dass die kleinste Vorerkrankung hier schnell zu lebensgefährlichen Problemen führen kann“, sagte Eichhorn.

Belastung für den Herzmuskel

Der Mediziner hatte mit seinem Team 17 Freitaucher aus ganz Deutschland beim Luftanhalten in kontrollierter Umgebung in einem MRT beobachtet: „So spektakuläre Aufnahmen wie von Falkenroths Lunge haben wir dabei nicht angefertigt, aber dafür sehr viel über den Zusammenhang von Blutdruck, Herzfrequenz und der Sauerstoffsättigung des Blutes in Apnoe gelernt“, sagte der Mediziner, der sich auch schon selbst der Prozedur unterzogen hatte und dabei knapp zehn Minuten die Luft anhielt.

„Was wir jetzt mit Sicherheit wissen, ist, dass eine lange Apnoe auch ohne den starken Druckanstieg, wie er beim Tieftauchen auftritt, eine enorme Belastung für den Herzmuskel darstellt“, so Eichhorn. „Die niedrigste Sättigung, die wir je gemessen haben, waren 27 Prozent“, sagte der Mediziner, der schon zu Studienzeiten Apnoetaucher medizinisch betreut hat.

Mit sogenannten Pulsoximetern kann man unkompliziert an einem Finger die Sauerstoffsättigung des vorbeifließenden Blutes messen. Der Normalwert eines gesunden Menschen nach dem Einatmen liegt nahe bei 100 Prozent. Nach den Atemanhalteübungen gehörte die kleine Untersuchung zum Standard.

Auf eine bestimmte Tiefengrenze, ab der es gefährlich werde, wollte sich keiner der Mediziner festlegen lassen: Grundsätzlich sei alles jenseits des Schnorchelns belastend, und wer dem Sport ambitioniert nachgehen wolle, solle sich auf jeden Fall einer intensiven Tauchtauglichkeitsuntersuchung unterziehen.

„Das ist wie bei den Tests für einen Formel–1Wagen“, spitzte Muth die Aussagen seiner Kollegen zu: „Die sehen ja auch etwas anders aus als die Tüv-Prüfung Ihrer alten Gurke aus Studententagen.“ Allen Medizinerkollegen im Auditorium rieten die Vortragenden, sich dementsprechend weiterzubilden und bei der Untersuchung von Freitauchern die neuesten Erkenntnisse zu berücksichtigen.

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